Lieder von Lore Lorentz Nichts klingt wie schon mal gehört

Kabarettist Martin Zingsheim trat mit Songs von Lore Lorentz im Kom(m)ödchen auf, präsentierte aber auch eigene Werke mit viel Humor.

Foto: DY/Kom(m)ödchen

Düsseldorf. „Früher war alles besser“ — diesen Satz sprach Kabarettist, Sänger und Pianist Martin Zingsheim im Kom(m)ödchen klar und deutlich mitten ins Publikum hinein. Hier und da war ein bestätigendes, aus tiefster Seele aufsteigendes „Ja“ zu vernehmen. Doch dann goss der 31-Jährige kaltes Wasser in den wohligen Nostalgie-Wein: „Ich glaube, nicht.“ Mit diesem Fehdehandschuh vor die Füße der Witwen und Witwer verklärter Vergangenheit begann Zingsheim sein Programm.

Angetreten war er offiziell mit Liedern der Düsseldorfer Kabarett-Ikone Lore Lorentz. Doch die Songtexte der einstigen Patronin des Kom(m)ödchens füllten jetzt nur einen recht kleinen Teil des Abends aus. Zingsheim vertonte am Flügel auch andere Kabarett-Gedichte und präsentierte auch viel Eigenes. „Martin Zingsheim singt Lore Lorentz“ — das auf den Plakaten angekündigte Unterhaltungs-Paket entpuppte sich fast als Mogelpackung. Doch das große Nachwuchstalent auf der Kleinkunstbühne versteckte kabarettistisches Gold darin.

Zu verstehen war die Begrenzung der Lore-Lorentz-Lieder keineswegs als Herabsetzung. Das „Klagelied einer Intellektuellen“, „Es ist alles Fassade“ und der „Hals-Nasen-Ohren-Song“ waren ja auch immerhin vertreten. Und durch die Einbindung in aktuelle Texte tat er der großen Lorentz sozusagen posthum einen Gefallen. Denn es verdeutlichte die Zeitlosigkeit des kritischen Kabaretts.

Zingsheim hat viel zu sagen, und das immunisiert ihn gegen den verbreiteten Hang Weisheiten anderer zu verkünden. „Zitate ersparen einem eigene Denkprozesse“, sagt er sarkastisch. Lässig, wie im Plauderton spricht der Allrounder über Politik, Gesellschaft, Frau Merkel, die Christdemokraten und religiöse Menschen. Nichts klingt dabei wie schon mal gehört, sondern wie fein beobachtet und intelligent enttarnt. So sagt Zingsheim, wie er Amazon ärgert, indem er deren Marktforschungs-Algorithmen an der Nase herum führt.

Er gebe einen Bestsellernamen ein, und wenn dann Vorschläge für ähnlichen Mainstream kämen, suche er nach Immanuel Kant. „Hä? Der kann dich gar nicht interessieren“, karikiert er die fiktive Irritation der Analysesysteme. Das passt dann wieder zu dem Song des alten Kollegen Martin Morlock und seinen „Kategorischen Komperativ“ — den wortspielerisch an Kants „Kategorischen Imperativ“ angelehnten Song über den wirtschaftlichen Wachstumswahn.

Hinter dem etwas schnoddrigen Sprechen verbirgt sich heimliche Präzisionsarbeit. Zunächst einmal ist Zingsheim durchgehend sehr textverständlich, ohne dass er theatralisch Konsonanten zischen muss. Das macht das Zuhören angenehm. Dann kann er glänzend Klavier spielen, hat einen schönen vollen Anschlag. Fast durchgängig wendet er seinen Kopf seitlich dem Publikum zu, wie es nur die echten Profis können.

“ Zingsheim steht am Mittwoch um 20 Uhr erneut auf der Kom(m)ödchen-Bühne.