Düsseldorf Performance mischt Popkultur und Politik
Das Impulse-Festival gastiert in der Kunsthalle mit einer Arbeit von Alexandra Pirici.
Düsseldorf. „Near, far, wherever you are…“. Voller Inbrunst und mit reichlich Pathos und Drama in der Stimme schmettert eine Performerin die bekannte Titanic-Schmonzette von Celine Dion und bewegt sich dabei langsam auf eine Besucherin zu. Sie bleibt stehen, hält Blickkontakt, und singt die komplette Film-Ballade durch. Einige Besucher schmunzeln, was aber nicht am tadellosen Gesang liegt, sondern daran, dass die musikalische Einlage so unvermittelt kommt.
Dieser Überraschungseffekt zieht sich durch die komplette Performance „Delicate Instruments of Engagement“, die derzeit in der Kunsthalle zu sehen ist. Vor der Titanic-Hymne stellen die vier Performer die Protestaktion eines türkischen Choreographen nach. Der hatte einst schweigend auf dem Taksim-Platz gegen das türkische System demonstriert und wurde zum Gesicht des Widerstands. Und so stehen die vier Darsteller nun in diesem großen, leeren Raum, und tun es ihm gleich: Sie schweigen.
Wenig später fordern sie die Zuschauer dazu auf, wahllos Begriffe in den Raum zu werfen. Eine Suchmaschine aus Fleisch und Blut seien sie geworden, und rattern tatsächlich allerhand Informationen zu den spontan hineingerufenen Begriffen auf. „Art never dies“, sagt einer von ihnen, als es um die Erklärung des Begriffs Kunst geht.
Profane Cola-Werbung, das Punk-Gebet von Pussy Riot, die Ermordung Bin Ladens oder das Bekenntnis von US-Präsident Clinton, garantiert keine Beziehung zu Miss Lewinsky eingegangen zu sein: Die dargebotenen Ereignisse reichen bis in die Jetztzeit, wo es zum Beispiel um die zum Verwechseln ähnlichen Ansprachen von Michelle Obama und Melania Trump geht. Die Szenen wechseln nach wenigen Minuten. Ikonische Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben, vermischen sich mit weniger bekannten Ereignisse. So entsteht eine Collage aus Politik und Popkultur, abwechslungsreich und unberechenbar zugleich.
Das Besondere an der Performance der rumänischen Choreographin Alexandra Pirici: Sie verändert sich über den gesamten Zeitraum. Die Besucher können zu Beginn aus vier unterschiedlichen Anfängen auswählen. Dann tanzen, singen und sprechen die vier ebenfalls aus Rumänien stammenden Performer drauf los und fordern auch das Publikum immer wieder auf, sich einzubringen.
Manchmal tut man sich als Zuschauer schwer, das Dargebotene gleich dem entsprechenden Ereignis zuordnen zu können, was die Ausstellung der etwas anderen Art noch interessanter macht. Der Fokus liegt die ganze Zeit auf den vier Frauen und Männern und ihrer Darbietung, auf sonstige Effekte wird komplett verzichtet.
„Delicate Instruments of Engagement“ wird im Rahmen des Impulse-Theaterfestivals in der Kunsthalle gezeigt. Dass ausgerechnet die fortlaufende Performance als einzige Produktion in Düsseldorf zu sehen ist, kommt nicht von ungefähr: Rund 30 Jahre nach dem Tod Beuys’ nimmt die Performance der Choreographin ihren Ausgang als historischem Ort der Grenzüberschreitung von Kunst und Politik.