Virtual Reality NRW-Forum: Mit der Brille in den virtuellen Raum
Im NRW-Forum treten die Avatare auf. Und am 1. Juli kommt die Band Kraftwerk vors Haus.
Düsseldorf. Das NRW-Forum am Erhenhof ist attraktiv, denn Besucher können künstliche Welten erkunden und schwindelerregende Erfahrungen machen. Diese „virtual reality“ erfahren sie im ersten Stockwerk in zwei Räumen mit knallbunt gestalteten Wänden. Ein Helfer schiebt Wache, reicht die Spezialbrille mit den zwei Bildschirmen für die beiden Augen und erklärt, wie das Gehirn daraus ein Bild macht. NRW-Chef Alain Bieber fügt hinzu: „Wir haben vier Kunstwelten. Jedermann kann jeweils eine halbe Stunde buchen.“
Bieber kennt die Reaktionen: „Ein junger Mensch aus dem Gaming-Bereich, der es gewohnt ist, mit Avataren umzugehen, bewegt sich anders als Leute, die Neuland betreten; sie sind ängstlicher. Mit der Brille auf dem Kopf ist der Radius 3 x 3 Meter groß. Die Brille registriert Kopfbewegungen und bietet ein 360-Grad-Panorama. Ein Gitternetz zeigt die Grenze an, die man nicht überschreiten sollte. Über eine Art Fernbedienung können die Besucher mit der virtuellen Welt interagieren, wie im Videospiel.
Erlebt der Neugierige eine Grenzerweiterung? Einen neuen Illusionsraum? Bieber antwortet cool: „Ein digitaler Raum besteht nur aus Pixeln, die es in echt nicht gibt.“ Der Museumsmann ist der festen Überzeugung, dass die Virtualität Auswirkungen haben wird. Die Technik werde gerade im Kunst- und Kulturbereich neue Felder erobern, denn: „Künstler haben keine Grenzen mehr. Sie können wirklich im Digitalen das umsetzen, was sie sich vorstellen. Es gibt psychologische Untersuchungen, wo Leute in Avatare schlüpfen und Superhelden spielen. Diese Rollen können auf das reale Leben abfärben.“
Die Erfahrung der virtuellen Realität birgt Gefahren und Nutzen. Bieber erklärt: „In der Bundeswehr benutzt man die Technologie, um Traumata zu bewältigen. Die digitale Welt könnte aber auch ein Rückzugsort sein, weil uns die reale Welt nicht mehr reicht oder nicht mehr gefällt. Aber hier bei uns geht man in den virtuellen Raum kurz rein, hält sich eine halbe Stunde auf und merkt beim Herausgehen, wie schön in der Realität der Sonnenuntergang ist. Ich würde gern beides haben, das reale Ufer und den digitalen Raum.“
Die Ausstellung wird von vier Künstlern bestückt, unter anderem von den Düsseldorfern Giulia Bowinkel und Friedemann Banz, Absolventen der Kunstakademie. Beide sehen das Spiel mit absurden, virtuellen Welten als Reaktion auf die absurden Entwicklungen der Wirklichkeit im digitalen Zeitalter, wo ein paar Codes zum Börsen-Crash führen.
Die Ausstellung läuft bis 30. Juli. Anschließend geht sie auf Wanderschaft in den Chaos-Computer-Club Leipzig. Später wird sie als App angeboten und kann für wenig Geld aufs eigene Smartphone heruntergeladen werden.
Am 1. Juli kommt der nächste Hit: Der Start zur Tour de France und der Auftritt von Kraftwerk vor dem Haus, mit der französischen Band Air im Vorprogramm. Dann wird das NRW-Forum zum Hochsicherheitstrakt. In 24 Stunden waren die 15 000 Tickets für die Veranstaltung ausverkauft. Frontmann Ralf Hütter kommt zuvor zum Proben. In der Foto-Ausstellung zur Tour de France läuft zur Einstimmung der Kraftwerk-Film.
Die Musik von Kraftwerk dürfte für Alain Bieber gleichsam ein Geburtstagsständchen sein, denn der Chef im Haus hat Halbzeit und die ersten zweieinhalb Jahre seines Fünf-Jahresvertrag absolviert. Mit unglaublichem Erfolg, einem guten Besuch und einem ersten großen Sponsor.