Kollektiv „Subbotnik“ Performance: Klangvolle Reise ins menschliche Gehirn

Bei der Produktion von „Subbotnik“ wird der Zuschauer Zeuge einer riskanten Operation.

Düsseldorf. Während einer Gehirnoperation bei vollem Bewusstsein sein. Mitkriegen, wie langsam die Schädeldecke geöffnet wird. Eine ziemliche Horrorvorstellung zunächst einmal. In „Keep the wolf from the door“, der aktuellen Performance des Kollektivs Subbotnik, für die außenstehenden Beobachter aber auch eine einmalige Gelegenheit, besondere Einblicke in die Geschichten und Landschaften im Inneren eines Menschen zu erhalten.

Genau diese Gelegenheit ergreift der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgard. Er reist für eine Woche nach Albanien, um dort dem berühmten Neurochirurgen Henry Marsh aus England bei zwei Operationen über die Schulter zu schauen. „Ich bin oft ein großer Feigling“, gibt der von Knausgard bewunderte Arzt gleich zu Beginn preis. „Oft ist es besser, bei einer Operation nichts zu tun.“

Beim ersten Patienten Imri Hasanaj ist ein Eingriff jedoch unausweichlich — sonst ist er in fünf, sechs Monaten tot. Und so erkundet der Gast aus Norwegen in seiner Rolle als staunender Beobachter der Operation jene Grenze im menschlichen Kopf, an der das Gebiet der physikalischen Tatsachen endet und ein anderes Land beginnt. Während des Eingriffs schildert Knausgard detailliert, was gerade vor sich geht: „Er hob den ausgesägten Schädelknochen hoch wie einen Deckel.“ Oder auch: „Es war, als schäle man eine noch unreife Frucht.“

Der Inhalt von „Keep the wolf from the door“ ist inspiriert von einem Zeitungsessay jenes norwegischen Schriftstellers, der unter dem Titel „The Terrible Beauty of Brain Surgery“ in der New York Times erschien. Und er mutet erst einmal morbide an. Das dreiköpfige Theaterkollektiv Subbotnik schafft es dank zahlreicher überraschender Einlagen in Bild und Ton jedoch, die Zuseher kurzweilig zu unterhalten und nicht in Schockstarre zu versetzen.

Das liegt auch daran, dass manches während der Operation der Fantasie der Zuschauer überlassen wird, wenn mithilfe von weißen Vorhängen der Ort des Geschehens nur noch schemenhaft zu erkennen ist. Typisch für die 2012 als deutsch-russische Kooperationsplattform entstandene Kombo ist zudem der originelle Einsatz verschiedenster Instrumental- und Gesangseinlagen.

So wird die eineinhalbstündige Inszenierung tatsächlich zu einem wie in der Programmvorschau versprochenen „poetischen Musiktheaterabend mit Cembalo, Klavier, Theremin und Operngesang“, wobei gerade letzterer dank der überzeugenden Leistung der Finnin Amanda Martikainen hervorsticht. Am Ende der ersten Operation kommt Schriftsteller Knausgard zu einem Fazit, dem man sich als Zuschauer nur anschließen kann: „Es war, als wäre ich in eine andere Welt versetzt“.