Bühne im Central Roger Vontobel: „Düsseldorf hat mich überrascht“

Roger Vontobel eröffnete die Spielzeit mit „Gilgamesh“. Jetzt bringt der Hausregisseur die griechische Tragödie „Medea“ auf die Bühne im Central.

Foto: Thomas Rabsch

Düsseldorf. Er nennt sie „die Schulz“, was bei ihm nach großer Bewunderung klingt. Nur mit ihr kann er sich diesen Theaterabend vorstellen, einen Parforceritt, ein lang gedehntes Martyrium. Der Regisseur Roger Vontobel und die Schauspielerin Jana Schulz sind ein eingespieltes Paar: Allein in Bochum sind in fünf Jahren sieben gemeinsame Produktionen entstanden, unter seiner Regie spielte sie die „Penthesilea“ und „Das Käthchen von Heilbronn“.

Jetzt also „Medea“ von Euripides, die große griechische Tragödie, in der die Halbgöttin aus Kränkung und Hass sogar ihre Kinder opfert. Altmodisch, extrem, psychotisch — so beschreibt Vontobel „die Schulz“ als Medea, eine Frau, die nicht unter die Mäßigungsklausel unserer effektiven und optimierten Gesellschaft passe. „Unsere gemeinsamen Arbeiten haben zu dieser Figur geführt“, erklärt er. Jana Schulz spielt als Gast in Düsseldorf.

Vontobel ist seit dieser Spielzeit Hausregisseur am Düsseldorfer Schauspielhaus. Er hat mit „Gilgamesh“ die Saison im Zirkuszelt auf der Kö eröffnet. Ein Event, wie er sagt, sicher nicht seine klügste Arbeit, gibt der aus Zürich stammende Theatermann zu, aber eine Geste zur Eröffnung, die beim Publikum ankam. „Ich fühlte mich umarmt. Düsseldorf hat mich mit seiner Wärme und Offenheit überrascht.“ Und befreit vom Vorurteil, das sich in Theaterkreisen hartnäckig hält, die Stadt habe ein sprödes, schwer zu begeisterndes Publikum.

Mit „Medea“ will Vontobel mehr, es geht ihm um die hochaktuelle Situation der antiken Vorlage, um Extremismus, der aus dem Fremdsein erwächst.

Er verzichtet auf eine Aktualisierung des Stoffes, Medea sei eine Halbgöttin und kein Flüchtling. Die „Zeichenhaftigkeit der antiken Größe“ will er in den Mittelpunkt stellen. „Ein Eid ist ein Eid“, sagt Medea bei Euripides und lässt nicht los von ihrem Mann Jason, der sie verraten hat, um seine Position in der neuen Gesellschaft zu verbessern. „Ihre pure Konsequenz hat verschiedene Gründe, nicht nur Rache. Aus ihrer Sicht muss sie auch als wohlmeinende Mutter diesen Weg zu Ende gehen.“ Eine extreme Reaktion auf eine extreme Situation, die in der Schlusskurve einen unheimlichen Sog bekomme.

Der 1977 geborene Regisseur hat sich viel vorgenommen für Düsseldorf. Er möchte nicht nur gute Arbeiten abliefern, sondern auch vom Intendanten Wilfried Schulz, den er als seinen Mentor bezeichnet, weiter lernen, wie man ein Theater lenkt.

Ein Schauspielhaus leiten, das ist sein nächstes Karriereziel. „Ich möchte eine größere Lanze für diese Kunstform brechen.“ Das sei ihm wichtig, auch mit Blick auf seine eigenen Kinder. Die Bereitschaft, für Theater Geld auszugeben, sei immer geringer, das sehe er etwa in seiner reichen Heimatstadt Zürich. Da will er gegensteuern.

Vontobel lebt mit seiner Familie in Bochum, wo er bis zum vergangenen Jahr als Hausregisseur gearbeitet hat. Die Stadt, für die er als Intendant Schauspiel denken und machen möchte, will er gut kennen. „So etwas kann man nicht in einem Jahr aufbauen.“ Er möchte ungewöhnliche Erlebnisse im Schauspielhaus und außerhalb verwirklichen. Und dafür will Vontobel dort sein, wo die Entscheidungen fallen.