Oper Händels Alcina in Düsseldorf: Premiere mit beachtenswert guten Ideen
Düsseldorf · Händels Zauberoper überzeugte auch durch hervorragende musikalische Qualitäten.
Es gibt Momente in Händels Oper „Alcina“, die rein musikalisch schon eine derartig große suggestive Kraft haben, dass es eigentlich vielleicht gar keine Bilder braucht. Vor allem wenn die Musik von derart begnadeten Musikern beseelt wird, wie es nun bei der Premiere am Düsseldorfer Opernhaus geschah. Da wäre Jacquelyn Wagner als eine sublime Alcina, mit einer berührenden Stimme, wie man es sich wirklich erträumen kann. Um sie herum Maria Kataeva als Ruggiero, Shira Patchornik, eingesprungen für die erkrankte Elena Sancho Pereg, als Morgana, Wallis Giunta als Bradamante, Oronte gesungen von Andrés Sulbarán, Beniamin Pop als Melisso und Maria Carla Pino Cury als Oberto. Ein durchweg überzeugendes Ensemble.
Da wäre die Neue Düsseldorfer Hofmusik, eine Formation, die historisch informiertes Spiel nicht als Selbstzweck begreift oder vielleicht sogar bewusst versucht, möglichst unbequemen Klang zu produzieren, um dem Publikum zu zeigen, wie historisch das alles doch ist. So lyrisch, so leidenschaftlich und dennoch niemals überzeichnet, so sanft und lebendig zugleich – das ist ein wirklich würdiger Teppich für die barocke Klanglust dieser Zauberoper. Und da wäre natürlich der Dirigent dieses Abends. Axel Kober, der vor allem diejenigen Beobachter seiner Kunst zum Staunen gebracht haben dürfte, die in ihm „nur“ einen hervorragenden Wagner- und Strauss-Dirigenten sehen. Mit leichter Gestik und perfektem Gespür für die Musiksprache und den Tonfall, damit auch für das Tempo und die Phrasierung leitete er sowohl Sänger als auch Orchester durch Händels Werk.
Aber natürlich kann und darf in einem Opernhaus die Musik, ist sie auch so einnehmend und kunstvoll geschaffen und interpretiert, nicht nur für sich stehen und muss mit der Szene eine harmonische Einheit bilden.
Lotte de Beer hat die Geschichte von der Zauberin Alcina, die Herrscherin über eine verführerische Insel, die so manchen Mann in den Bann zog und schließlich doch durch entzaubert wird, in eine Szenerie transferiert, die sehr an eine modernistische Villa einer vielleicht reichen Diva erinnert. Eine an sich kalte, in den Perspektiven verschobene Konstruktion, als wäre sie von Mies van der Rohe, aber durch einen Zerrspiegel betrachtet, ist diese Zauberinsel, diese Villa, die so gemacht, dass sie sich in ihre Einzelteile, wie kleine Inseln auflösen und mischen kann. (Bühnenbild: Christof Hetzer).
Alcina selbst, hier kommt Jacquelyn Wagner schauspielerische Qualität und ihre perfekt passende Statur zu Gute, gerät zu einer sich immer wieder zu einer „Femme fatale“ (Kostüme: Jorine van Beek) aufraffenden Ikone, die aber stets kurz davor ist an ihr, an ihrer eigenen Vergangenheit und Zukunft zu zerbrechen. Schmerzgekrümmt muss sie bisweilen singen, sich häufig in eine Pose der Verwahrlosung zurückziehen, wie eine an ihrer Prominenz leidende Schauspielerin. In de Beers Idee spiegelt sich dieser innere Kampf auch ganz explizit für das Publikum sichtbar. So taucht Alcinas Vergangenheit in Form eines unschuldigen jungen Mädchens und ihre Zukunft als eine verhärmte alte Frau auf.
Grandiose Momente sind dieser Konstellation zu verdanken, die die an sich mit recht statischem Tempo agierende Inszenierung vor der Gefahr einer leeren Aneinanderreihung von Bildern retten. Diese Momente sind von einer enormen Sogwirkung und zeigen, dass de Beer beachtliche, fast filmische Szenen zu schaffen vermag.
Auch gibt sie lichten, humorigen Augenblicken Raum, etwa wenn die typisch barocke Koloratur-Orgie als Unterlage für das Mixen eines Cocktails dienen darf. Und dennoch herrscht in dieser „Alcina“, die dank der Lichteffekte von Alex Brok und der Projektionen von Fett-Film auch ästhetisch Ansprechendes bietet, eher eine erdrückende, bleierne Atmosphäre. Die in einem ästhetisch reibungsvollem Kontrast zur Musik zu stehen scheint. Aber nur scheinbar. Denn die Verschmelzung von Bild und Klang, angefüttert von der bedacht geführten Personenregie evoziert eine derart gelungene elegische Qualität, die als Schlüssel für diese Inszenierung dient: Eine „Zauberin“, eine Verführerin, die Männer zu gesichtslosen Schatten werden lässt, wenn sie sie ausgesaugt hat, zerbricht an ihrer eigenen psychischen Konstitution. Die seinen Ursprung in einer vormaligen toxischen Liebe zu einem Mann zu haben scheint, wie durch Statisten sprechend dargestellt.
Dennoch mag man sich vielleicht hier und da vielleicht etwas mehr „Bewegung“ gewünscht haben. Bewegend war das Konvolut aus Musik und Szene indes sehr.