Tonhallen-Intendant Michael Becker: „Wir wollen kein Hochglanzfest“
Düsseldorf. Tonhallen-Intendant Michael Becker sproicht im Intervie mit der WZ über Schumannfest, Publikum und Topstars.
Herr Becker, die Publikumsresonanz beim Schumannfest war nicht berauschend. Sind Sie enttäuscht?
Michael Becker: Überhaupt nicht. Wir haben ein neues Konzept gehabt, es ging uns darum, Schumann aus dem Museum heraus- und in unsere Gegenwart hineinzuholen. Das ist toll gelungen, vor allem bin ich künstlerisch absolut zufrieden mit diesem Fest. Dass es bei einem Neustart eventuell etwas weniger Publikum gibt, ist nicht ungewöhnlich. Wobei wir im relativen Vergleich zu 2010 keineswegs verloren haben. Wichtiger ist mir aber ohnehin die Debatte über den künstlerischen Charakter.
Gerne. Da stellen wir mal frech fest: Es gab kein einziges renommiertes Orchester und keinen echten Weltklasse-Solisten im Programm. Ist das nicht künstlerisch viel zu wenig?
Becker: Zunächst einmal war von Anfang an klar, dass dieses Schumannfest kleiner ausfällt, auch im Etat, nach dem Mammutprogramm vor zwei Jahren. Ehrlich gesagt war ich darüber auch gar nicht sehr traurig. Ich glaube, diese Hochglanzfestivals mit den immer gleichen Stars des Klassikbetriebs sind heute einfach überholt. Das Publikum hat sich verändert und mir ist wichtig, dass wir breitere Schichten ansprechen. Also nicht nur die „Hardcore“-Klassikfans, die den Schumann-Kanon verinnerlicht haben und ihre Stücke nur von ihren Helden interpretiert bekommen möchten. Und dann hatten wir ja doch Tzimon Barto, die Labéques. Und Owen Pallett war ein Riesenerlebnis. Aber ein rein klassisches „Goldknöpfchen“-Programm, das passt besser nach Baden-Baden.
In Düsseldorf würde Hochglanz nicht ankommen?
Becker: Doch, die deutschen und internationalen Weltklasseorchester gehören dringend hierher. Aber Düsseldorf wird mir trotzdem zu sehr zur Hochglanz-Stadt stilisiert und über die Kö definiert. Das ist zu einseitig.
Warum machen die absoluten Top-Orchester auch nächste Saison wieder einen Bogen um Düsseldorf? Die Berliner Philharmoniker spielen in Essen, die Wiener und das Concertgebouw in Köln.
Becker: Das ist strukturbedingt. Diese Konzerthäuser sind GmbHs mit eigenem Etat, die Tonhalle ist dagegen ein städtisches Amt. Ja, Düsseldorf braucht unbedingt mehr Weltklasseorchester. Hier sind wir jedoch von den privaten Veranstaltern abhängig. Aber ich beklage die Strukturen nicht. Denn dafür haben wir ein eigenes Orchester und ein sehr breites und stabiles Programmprofil.
Trifft das auch fürs Publikum zu oder dominiert da weiterhin die Fraktion Ü60?
Becker: Da hat sich ungeheuer viel getan. Wir haben die Gesamtbesucherzahl gegenüber 2006 ja nicht umsonst um über 50 Prozent erhöhen können, sind das jüngste Konzerthaus der Republik, selbst Konzerte für Jugendliche boomen hier. Aber sehr wichtig sind mir auch die Berufstätigen bis hin zu den Managern, die mit Familie nur für ein paar Jahre nach Düsseldorf kommen. Von denen haben wir bereits einige gewonnen — auch durch neue Konzertformate und Anfangszeiten. Das alles heißt übrigens nicht, dass wir Ü60 abhalten wollten.
Gibt es 2014 einen nahtlosen Nachfolger für GMD Boreyko?
Becker: Das wird sich zeigen. Eine mehrjährige Vakanz nur mit Gastdirigenten zu füllen, davon halte ich künstlerisch nichts. Wir haben mögliche Nachfolger im Blick, das erste Vorschlagsrecht hat da natürlich das Orchester.