„Wir haben viel Unsinn gemacht“
Wolfgang Engstfeld und Peter Weiss spielen seit 40 Jahren zusammen. Vor ihrem Jubiläumskonzert blicken sie zurück.
Düsseldorf. Sie stehen nicht nur seit 40 Jahren gemeinsam auf der Bühne, sie wohnen auch Tür an Tür im selben Haus an der Luegallee: die beiden Düsseldorfer Jazz-Musiker Wolfgang Engstfeld und Peter Weiss. Kurz vor dem Jubiläums-Konzert am Freitag haben die beiden für die WZ in ihren Erinnerungen gekramt.
Zum Gespräch soll es eigentlich in ein Eiscafé gehen, aber weil das geschlossen ist, öffnet Peter Weiss dann doch die Tür seiner Wohnung. Am Eingang hängt ein aktuelles Mannschaftsbild der Fortuna gleich neben einem riesigen „Harlem-Jazz-1958-Plakat“. Es sei nicht richtig aufgeräumt, ziert sich der Musiker erst. Dabei hat er in diesem Haus schon deutlich unordentlichere Zeiten erlebt.
Anfang der 70er Jahre war es, als die beiden Musiker an der Luegallee eine WG gründeten. Der inzwischen verstorbene Schlagzeuger Charly Weiss, der zufällig den selben Namen trug wie sein Band-Kollege, wohnte ebenfalls dort, sowie ein Bruder von Wolfgang Engstfeld: „Wir waren zu fünft oder zu sechst.“ So genau weiß man das heute nicht mehr.
Manchmal übernachtete auch jemand in der Diele, in der schon mal Sitzvolleyball gespielt wurde oder freundschaftliche Ringkämpfe abliefen — einmal hat Weiss dabei seinem Mitbewohner eine Rippe gebrochen. Die Sache ist längst vergessen. „Wir haben viel Unsinn gemacht“, sagt Engstfeld. „Und bis in den Morgen Jazz gehört.“
Die WG gibt es heute nicht mehr; irgendwann kamen Frauen ins Spiel, später Kinder. In dem Haus wohnen sie aber immer noch, auf derselben Etage.
Engstfeld hat mit 15 Jahren mit der Musik angefangen, nach dem Abitur ging er nach Graz, um Saxofon zu studieren, in Deutschland gab es damals noch keine Möglichkeit. Schon nach einem Jahr kam er wieder zurück nach Düsseldorf: „Ich wollte spielen, das ging da nicht.“
Hier dagegen gab es eine lebendige Musikszene. Auf die Frage nach seiner ersten Band muss Engstfeld aber erstmal überlegen: Ständig gab es neue Projekte mit Namen wie „Zyklop“ oder „Fongies“. Buchstabieren kann Engstfeld den Namen nicht direkt: „Aufgeschrieben haben wir das nie.“ Unterdessen traten im Downtown damals die ganz großen Figuren des Modern Jazz auf, Leute wie Art Blakey, Elvin Jones oder Freddie Hubbard.
Gleichzeitig war die heimische Szene überschaubar, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Engstfeld und Weiss sich über den Weg liefen. Engstfeld erinnert sich noch, wie er einen Proberaum betrat und ein Schlagzeug hörte, bevor er sah, wer da spielte: „Der Beckenschlag gefiel mir sehr gut.“ Bald gab es mit „Jazz Track“ die erste gemeinsame Band.
Peter Weiss hatte das Studium ebenfalls abgebrochen. Die Stimmung an der Hochschule sei Anti-Jazz gewesen: „Als sie sahen, dass ich Linkshänder bin, haben sie gesagt, das sieht nicht aus. Ichhabe mich dann ein bisschen durchs Leben geschlagen.“
Auch Engstfeld lebte mal eine Weile davon, dass er das erste Jazz-Notenbuch aus den USA in Deutschland vertrieb. Beide fingen irgendwann an zu unterrichten. Weiss ist bis heute an der Musikschule Ratingen, Engstfeld inzwischen Professor in Köln. Vom Jazz leben können eben die wenigsten. Auch wenn beide auf mehr als 20 gemeinsame CDs zurückblicken. Plus jeweils weitere Projekte.
Doch in den 70ern wurden die Auftritte zahlreicher, die Band spielte um die 120 Auftritte im Jahr in ganz Deutschland. Engstfeld: „Wir tourten im Bandbus durchs Land, übernachteten in billigen Hotels und hatten nur selten ein gestimmtes Klavier auf der Bühne.“
Einmal blieb die Band bei einer Tour an der innerdeutschen Grenze hängen. Der Wagen war nur für drei Personen zugelassen, zwei mussten aussteigen. Peter Weiss trampte zum nächsten Auftrittsort, doch am Abend war der Bassist nicht da. „Wir fragten ins Publikum, ob jemand Bass spielen kann“, erinnert sich Weiss. Es meldete sich ein 17-Jähriger, der mal Blues gespielt hatte. „Der war der Star des Abends.“
Später kamen Aufritte in China dazu, in Südafrika, Brasilien, Australien. Heute stehen beide noch 20, 25 Mal im Jahr auf der Bühne. Weiss hat zwischendurch die Jazz-Rally organisiert und die Jazz-Schmiede mit aufgebaut, wo er noch aktiv ist.
Zum Jubiläum ist eine Doppel-CD herausgekommen, ein Querschnitt der vergangenen Jahrzehnte. Und vielleicht kommt auch mal wieder ein neues Werk heraus. Mehr will Peter Weiss aber noch nicht verraten: „Ich habe schon ein paar Ideen.“