Düsseldorf Leben im Rollstuhl: Wenn nichts mehr wie vorher ist . . .

Nach einem Unfall ist Ingenieur Gary Eickhoff auf den Rollstuhl angewiesen. Familie, Karriere, Zukunftspläne — alles steht in Frage.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Es sollte die letzte Fahrt mit der Suzuki 500 sein, bevor das Motorrad verkauft wurde. „Ich wollte nur noch schnell zur Tankstelle. Aber da war eine Ölspur“, erinnert sich Gary Eickhoff an den Tag im Mai vergangenen Jahres. Das Bike kam ins Rutschen, der 32-Jährige stürzte. Erst allmählich breitet sich in seinen Beinen ein Taubheitsgefühl aus, ins Krankenhaus kann Gary noch selbst laufen. Dort stellt sich heraus, dass der Familienvater einen Beckenbruch davongetragen hat. Trotz einer Notoperation ist Eickhoff querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen: „Von da an war nichts mehr wie vorher.“

Dabei hatte das Ehepaar sein Leben komplett durchgeplant. Zuerst hat Gary sein Ingenieurs-Studium abgeschlossen, danach ging Sonja zur Universität. Vor zweieinhalb Jahren kam Tochter Sophia zur Welt. „Das war auch der Grund, warum ich als Familienvater das Motorrad verkaufen wollte“, erzählt Gary. Außerdem wechselte er den Job, weil er wegen Sophia nicht mehr tagelang auf Montage sein wollte.

Doch als klar war, dass Gary nicht wieder normal arbeiten gehen kann, wollte seine Firma den Planungsingenieur vor die Türe setzen. Doch zuerst war die Kündigung nicht unterschrieben, dann hatte der Arbeitgeber die Frist für die Zustimmung des Sozialamtes zu der Kündigung nicht eingehalten. Zweimal musste das Unternehmen einen Rückzieher machen.

Offenbar war sein Chef darüber so verärgert, dass er Gary massiv gemobbt hat. Der 32-Jährige wurde von seinen Kollegen getrennt und durfte nicht mehr mit ihnen sprechen: „Ich musste in einer Abstellkammer arbeiten.“ Außerdem stellte der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen ein, weil es der Firma gerade nicht gut ging. Seine Kollegen bekommen aber ihr Geld. Darum läuft vor dem Arbeitsgericht eine Klage wegen Diskriminierung. Vermutlich werden sich die Parteien vergleichen.

Eine Situation, die der jungen Familie das Leben zusätzlich schwer macht. „Es war, als hätte jemand einen Sack über uns ausgeschüttet“, sagt Sonja Eickhoff, die zurzeit in einer Arztpraxis arbeitet, um Ehemann und Tochter über Wasser zu halten: „Wir hatten Ersparnisse. Aber die sind inzwischen aufgebraucht. Vor allem, weil zurzeit kein Gehalt mehr von der Firma kommt.“

Durch den Rollstuhl hat sich das ganze Leben der Eickhoffs verändert. „Wir haben in der zweiten Etage ohne Aufzug gelebt und mussten eine behindertengerechte Wohnung finden“, erzählt Gary. Das sei in Düsseldorf gar nicht so einfach. Außerdem musste Sophia die Kindertagesstätte wechseln, in der sie sich gerade prima eingelebt hatte. Die kleine Tochter trägt aber ganz wesentlich dazu bei, dass der 32-Jährige niemals ans Aufgeben gedacht hat.

Mehrere Monate verbrachte der Ingenieur in der Reha und schon da wurde ihm bewusst, welch harten Weg er gehen muss: „Da waren Menschen in meinem Alter. Die haben sich aufgegeben. Aber ich will wieder laufen können, auch wenn es Schmerzen verursacht.“ Gary nimmt in Kauf, dass ihm nach der Therapie der ganze Körper weh tut: „Ich war früher Leistungsturner und sogar NRW-Meister. Das hilft mir jetzt.“ Als nächstes will er einen Tauchschein machen, denn unter Wasser spürt er seine Behinderung kaum. Inzwischen hat er einen Sponsor gefunden, der den Lehrgang finanziert.

„Wenn wir mit gleichaltrigen Freunden zusammen sind, merken wir den Unterschied besonders“, sagt Sophia, „die sind noch so unbekümmert und sorglos im Leben. Wir haben schon so viele Erfahrungen hinter uns. Da kommen wir uns fast ein bisschen alt vor.“