Serie: Radsport in Düsseldorf Der einzige Radclub mit Olympiasieger

Udo Hempel gewann 1976 Gold. Kein anderer Club in der Stadt stellt bis heute einen Rad-Olympiasieger. Heute kämpft der RSV 1911/12 um den Nachwuchs.

Foto: Salzburg

Düsseldorf. Die goldenen Zeiten liegen schon etliche Jahre zurück. Es war 1972, als sich die Mitglieder des Düsseldorfer Radsportvereins 1911/12 darüber freuten, dass Udo Hempel in München Olympiasieger mit dem Bahn-Vierer wurde. Hempel hatte in ihrem Verein die ersten Pedaltritte seiner langen und erfolgreichen Karriere gemacht. Er ist bis heute der einzige Rad-Olympiasieger aus Düsseldorf geblieben. Und in seinem früheren Club steht heutzutage kein Spitzensport mehr auf der Tagesordnung. „Wir machen nur noch Radtouristikfahrten“, sagt der Vorsitzende Udo Cremer, gleichzeitig „Chef“ des Radsportbezirks Düsseldorf. Breiten- statt Leistungssport bestimmt inzwischen das Vereinsleben.

Dabei ist Udo Hempel nicht mal der einzige Fahrer, der dem RSV 1911/12 olympischen Glanz verlieh. Aber wer weiß heute noch, dass 1956 in Melbourne Reinhold Pommer in der damals gesamtdeutschen Olympiamannschaft Bronze auf der Straße gewann?

Und für Udo Hempel hätte es eigentlich sogar zweimal Gold geben müssen. Der 69-Jährige erinnert sich noch ganz genau an Mexiko-City 1968. „Im Halbfinale hatten wir in neuer Weltrekordzeit die favorisierten Italiener geschlagen. Im Finale hatten wir die Dänen völlig im Griff und gewannen. Doch nach dem Rennen legte ein Jurymitglied aus der DDR eine leichte Berührung in unserem Vierer als unerlaubtes Schieben aus. Wir wurden disqualifiziert, und statt Gold gab’s Silber.“ Hinterher erfuhren die (West-)Deutschen: Es war wohl auch eine Art Rache für den Einsatz von Jürgen Kissner, der zuvor aus dem Osten „rübergemacht“ hatte.

Anschließend wollte Hempel ins Profilager wechseln, doch der legendäre Bundestrainer Gustav Kilian redete ihm das aus. „Das kannst Du nicht machen. Ich brauche Dich als Kapitän für 1972“, habe er zu ihm gesagt, berichtet Hempel. Der „eiserne Gustav“ pflegte sein Quartett jeweils aus zwei erfahrenen und zwei jungen Fahrern zusammenzubauen. Und in München ging der „goldene Plan“ tatsächlich auf.

Profi wurde Hempel anschließend doch noch. Und der Radsport blieb auch nach dem Rücktritt 1982 sein Leben. Sechs Jahre lang arbeitete er als Bahn-Bundestrainer, war danach zeitweise Rennleiter beim Düsseldorfer Top-Rennen „Rund um die Kö“. Heute kümmert er sich um die deutschen Paralympics-Sportlerinnen und darum, dass die Tour de France im nächsten Jahr nach dem Start in Düsseldorf auch durch seinen neuen Wohnort Kaarst-Büttgen rollt.

Doch wie kam er einst ausgerechnet zum RSV 1911/12? In den 60er-Jahren gab es in Düsseldorf schließlich auch noch andere Radsport-Vereine. Hempel: „Aufgewachsen bin ich am Herrmannplatz in Flingern. Dort gab es das Fahrradgeschäft Rosendahl mit tollen Rennrädern und zwei attraktiven Töchtern. Damit war das der ideale Treffpunkt für alle jungen Düsseldorfer, die etwas für Radrennen übrig hatten.“ Die Freunde Norbert Wirtz und Rolf Demuth brachten ihn dann zu seinem ersten Verein. „Wir wollten immer in einem starken Team für Düsseldorf fahren“, sagt Hempel. Da war erst 1911/12 die richtige Adresse, später fuhr er für den RSV Rath/Ratingen, danach in Büttgen.

Einen Fahrer wie Udo Hempel hat der RSV 1911/12 danach nie wieder hervorgebracht. Aber er blieb sportlich aktiv — vor allem als Veranstalter zahlreicher Rennen: Rund um den Lessingplatz, Großer Ruberg-Preis, Jan-Wellem-Preis. Trotzdem drohte 1973 das Aus. Ganze sieben Mitglieder waren damals im Januar übrig. Hermann Niesen, Udo Cremer und Heinrich Duram retteten als Vorstandstrio den Club und brachten ihn wieder in Schwung.

130 Mitglieder zählte der RSV 1911/12 zu Beginn der 90er Jahre, inzwischen ist die Zahl wieder auf 32 gesunken. Eine Radtouristik in Oberkassel im Frühjahr sowie eine weitere in Unterbach im Herbst sind derzeit die Haupt-Aktivitäten. Der Nachwuchs fehlt hier genauso wie in den übrigen Radsportclubs. Beim „Grand Depart“, dem Auftakt zur Tour de France 2017, wollen Düsseldorfs Radsportvereine eine Präsentations-Offensive starten. Auch für den RSV 1911/12 eine neue Chance. Als Überlebenskünstler hat der Verein jedenfalls Erfahrung.