Mafia-Kronzeuge drohte mit Entführung
Gutachter irrte: Wahnvorstellungen waren offenbar eine wahre Geschichte.
Düsseldorf. Weil er per E-Mail damit gedroht hatte, den Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu entführen, wurde ein 29-jähriger Türsteher festgenommen und von einem Psychiater untersucht. Dem erzählte der junge Mann eine abenteuerliche Geschichte. Er habe eine Mafia-Bande auffliegen lassen und sei im Zeugenschutzprogramm.
Der Gutachter glaubte den Aussagen nicht, er attestierte dem 29-Jährigen Wahnvorstellungen. Gestern musste sich der Türsteher vor dem Landgericht verantworten. Dabei stellte sich heraus, dass der Mann tatsächlich in Norddeutschland zwei Gangster hinter Gitter gebracht hatte und die ganze Sache keineswegs ein Hirngespinst ist.
Der Türsteher war in eine Schießerei mit einer Mafia-Gruppierung geraten und hatte die Haupttäter erkannt. Während des Prozesses war er im Zeugenschutzprogramm. Ihm wurde eine neue Identität zugesichert, die er in Düsseldorf auch bekam. Angeblich wurde dem 29-Jährigen auch eine Arbeitsstelle versprochen — und auf die wartet er bis heute. Immer wieder hatte sich der Türsteher beschwert, sogar an den Bundesgerichtshof geschrieben, weil die Zusagen der Justiz nicht eingehalten wurden. „Mein Mandant war völlig frustriert“, so sein Rechtsanwalt Malte M. Pohl.
Im Juli kam der Türsteher dann auf eine abstruse Idee. In einer E-Mail an die Staatsanwaltschaft kündigte er an, den OLG-Präsidenten zu entführen. „Ich hatte nie vor, das Vorhaben auszuführen“, erklärte der Angeklagte. Er habe nur gewollt, dass ihm endlich jemand zuhört. Das gelang ihm. Zuerst wurde er von Staatsanwaltschat und Polizei verhört, die eine psychiatrische Untersuchung anordneten. Seitdem sitzt der Mann auch in einer geschlossenen Einrichtung. In dem Prozess sollte eigentlich darüber entschieden werden, ob der Türsteher unbefristet eingewiesen wird.
Doch nachdem sich die diagnostizierten Wahnvorstellungen in weiten Teilen als Tatsachen entpuppten, will sich das Gericht zunächst ausführlich über die Vorgeschichte informieren. Probleme gab es offenbar, weil man für den 29-Jährigen keine geeignete Arbeitsstelle findet. Die Türsteher-Szene ist so eng vernetzt, dass die Mafiagruppe den Mann trotz neuer Identität schnell finden würde. Am 16. Januar geht der Prozess weiter.