Düsseldorf Modellprojekt: Flüchtlinge als Azubis
In einem Düsseldorfer Modellprojekt werden junge Flüchtlinge in Restaurants oder Kneipen ausgebildet. Die Jugendberufshilfe bietet ihnen einen geschützten Rahmen - und umgeht kreativ den Bürokratiedschungel.
Düsseldorf. Für Mohammed ist es die Chance auf eine eigene Wohnung, für Riad der Schlüssel zu einem selbstständigen Leben, für Savina der Weg in ihren Traumberuf: Mehrmals in der Woche legen die jungen Flüchtlinge weiße Bluse und Hosenanzug an. Im „L'Abbaye“ werden sie zur Fachkraft im Gastgewerbe ausgebildet. Normalerweise macht die Jugendberufshilfe (JBH) Düsseldorf dort junge Menschen mit Startschwierigkeiten fit für den ersten Arbeitsmarkt. Seit August 2015 lernen auch sechs Flüchtlinge Servieren, Cocktails mixen oder den korrekten Umgang mit den Gästen. Wichtig - auch wenn das nicht auf dem offiziellen Lehrplan steht - ist dabei das Ankommen in Deutschland, das „Freundefinden“ und ein neues Zuhause.
Auch damit klappt es schon ganz gut: „Wir treffen uns auch in der Freizeit“, sagt die 19-jährige Savina. Alle sechs kamen als Minderjährige unbegleitet nach Deutschland und waren zunächst völlig orientierungslos. Mohammed, inzwischen 18 Jahre alt, ergänzt: „Eigentlich sind wir immer zusammen.“ Mit von der Partie sind Michael (19), Rezvan (19) und Isaac (18). Ein Vorteil des Modellprojekts ist der geschützte Rahmen, in dem sie sich bewegen können: keine langen, wechselnden Schichten, unterstützender Deutschunterricht neben der Berufsschule. Mit den Sozialarbeitern haben sie permanente Ansprechpartner.
Die rechtlichen Gegebenheiten: Wer sich noch im Asylverfahren befindet, hat eine dreimonatige Wartefrist bis zum Beginn einer betrieblichen Ausbildung. Auch wer geduldet ist, darf theoretisch eine Ausbildung machen, aber die Ausländerbehörde muss zustimmen. Längst nicht immer gebe diese ihr „Okay“, erklärt Sozialarbeiterin Birgit Appel. Und weil das Bleiberecht nur bis zum Ende der Ausbildung gesichert ist, finden viele Geduldete nur schwer eine Stelle.
Deshalb fordern sowohl die Industrie- und Handelskammer als auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, das Bleiberecht nach einer abgeschlossenen Ausbildung noch zwei Jahre zu verlängern, damit mehr Betriebe Flüchtlinge ausbilden. Auch das Recht auf einen Schulbesuch solle bis auf 25 Jahre ausgedehnt werden.
Probleme kennen aber auch anerkannte Asylbewerber wie Savina. Sie hatte es schon fast in eine Ausbildung geschafft, ein Hotel wollte ihr eine Lehrstelle anbieten. „Aber ich hatte noch keinen Personalausweis, deshalb haben sie mich doch nicht genommen“, schildert sie. Die Zeit bis zur Ausstellung des Dokumentes wollte das Hotel schließlich nicht abwarten.
Die Jugendberufshilfe umgeht Hürden mit einem Trick: Das Modellprojekt gilt als zweijährige Vollzeit-Schulausbildung in Zusammenarbeit mit den Berufskollegs. Und eine schulische Ausbildung dürfen die Flüchtlinge zu jeder Zeit beginnen. „Warum sollen die vielen Ausbildungswege, die deutschen Jugendlichen offenstehen, nicht auch für Flüchtlinge machbar sein?“, erklärt Sozialarbeiterin Appel. Und schließlich arbeitet das „L'Abbaye“ im Unterschied zu den Betrieben auch nicht gewinnorientiert. Die Einnahmen decken nur die Kosten. Unterstützt werden die Jugendlichen von der JBH mit kostenlosem Mittagessen, Monatskarten und einem Euro pro Stunde.
Eigenständigkeit ist ein großes Thema für die Flüchtlinge. Vor dreieinhalb Jahren kam Mohammed aus Afghanistan. „Durch die Ausbildung kann ich endlich in eine eigene Wohnung ziehen.“ Für Riad (22) aus Bangladesch ist die Gastronomie zwar nicht die Traumbranche, aber auch er will auf eigenen Beinen stehen und hat verstanden: „In Deutschland braucht jeder eine Ausbildung.“
„Es macht Spaß (...) zu sehen, wie motiviert die Jugendlichen sind und dass sie etwas aus ihrem Leben machen wollen“, sagt Appel. Die JBH bildet auch Metalltechniker und Sozialassistenten nach dem gleichen Prinzip aus. Zwischen- und Abschlussprüfungen übernimmt die IHK Düsseldorf. Savina mag die Arbeit im Service: „Wenn die Gäste nett und freundlich sind, bekomme ich gute Laune.“ Und Rezvan träumt schon von Fachoberschulreife und einem Studium. dpa