Open-Air-Fest der Altstadt-Armenküche Lobbyarbeit mit der Suppenkelle

Düsseldorf · Bei dem Open-Air-Fest der Altstadt-Armenküche wurden auch Unterschriften für eine Resolution des „Netz gegen die Armut“ gesammelt.

Mitarbeiterinnen – links Ulrike Hoberg, rechts Marion Gather – an einem Stand bei dem Fest der Altstadt-Armenküche auf dem Burgplatz.

Foto: Melanie Zanin

12 Uhr mittags auf dem Burgplatz. Essenszeit. Eigentlich ist es zu heiß für Erbsensuppe. Viel zu heiß. Aber der Zweck heiligt die (Lebens-)Mittel: Die Altstadt-Armenküche hat eingeladen zu ihrem alljährlichen Open-Air-Treff mit Suppe, Grillwurst, Kaffee und Kuchen, Altbier und Wasser. Dazu wird jede Menge Ohrenschmaus serviert.

Pater Wolfgang Sieffert, Initiator der Armenküche, schmettert von der Bühne: „Wir wollen heute auch das innere Feuer entfachen.“ Und schon heizen die Boogie Dukes die Stimmung noch zusätzlich an: „We will rock you“. Eingefleischte Fans der Veranstaltung freuen sich da schon auf die Düsseldorfer Kultband Heavy Gummi, die seit 1997 dabei ist, später noch die Rock- und Pop-Band Firlefanz. Alle treten ohne Gage auf, Pater Wolfgang mit seiner Mundharmonika sowieso.

Anita Gülpers taucht die Kelle tief in den Bottich mit der Erbsensuppe aus der Kantine der Stadtwerke. Suppe und Brötchen werden kostenlos verteilt an arm und reich, Spenden sind willkommen. Gülpers gehört zur engagierten Truppe der ehrenamtlichen Helfer, ohne die die Armenküche kaum denkbar wäre. Bereits seit zwölf Jahren ist sie dabei, von morgens um 9 Uhr „bis alles fertig und wieder aufgeräumt ist, meist so um halb vier“.

Die Motivation der Mittfünfzigerin: „Ich wollte was tun, mich sozial engagieren, etwas von meiner Zeit zurückgeben.“ Zeit für „alles, was anfällt“. Vom Kartoffelschälen bis zur Essensausgabe. Dabei bekommt sie auch selbst noch etwas zurück. Neue Freundschaften sind entstanden: „Wir waren schon zweimal mit unserer Freitaggruppe in Rom.“ Man ist fröhlich miteinander, auch mal traurig: „Viele, die man gut gekannt hat, sterben zu früh.“ Die Gäste verändern sich, „aber die Armut bleibt.“ Kommen auch Flüchtlinge? „Nein, die werden anderweitig versorgt.“

Ulrike Hoberg, seit 2013 dabei, versucht am Infostand einem interessierten älteren Ehepaar zu erklären, was sie so macht und warum: „Das kann man gar nicht beschreiben, das muss man erleben. Menschen, die das nicht erleben, ich glaube, denen fehlt was.“ Ja, die seien oft armselig dran. Hoberg hat über einen langen Zeitraum ihre Mutter gepflegt: „Danach bin ich in ein tiefes Loch gefallen.“ Eine gute Bekannte erzählte ihr von ihrem Engagement in der Armenküche. Sie ging einmal mit „und da wusste ich sofort, hier bin ich richtig. Es ist wie eine große Familie. Ich kann nur jedem raten, der traurig oder unzufrieden ist: Mach mit.“

„Come together – right now“ schmettert die Band von der Bühne. Die Ersten tanzen trotz sengender Sonne, auf dem Rhein schießt das Feuerlöschboot eine Fontäne in Richtung Burgplatz, und Oberbürgermeister Thomas Geisel huscht kurz mal wie ein Schatten durchs Geschehen. „Gut für die Anerkennung der Ehrenamtlichen“, freut sich Pater Wolfgang, „ich hab ihn gar nicht gesehen, sonst hätte ich ihn gebeten, ein paar Worte zu sagen.“

Anerkennung ist wichtig, um seit ihrer Gründung 1992 den Topf am Kochen zu halten in der Armenküche, nicht nur in den kleinen Räumen im Rathaus, wo tagtäglich 80 bis 100 Mahlzeiten frisch zubereitet und verteilt werden, sondern vor allem durch unermüdliches Spendensammeln. Denn, auch das ist ungewöhnlich an der Initiative, der Betrieb erhält keinerlei öffentliche Zuschüsse, er finanziert sich ausschließlich aus Spendenmitteln. Pater Wolfgang: „Das verschafft uns die nötige Unabhängigkeit gegenüber Öffentlichkeit, Ämtern und anderen Verbänden“. Sogar viele der armen Gäste steuern mit einer Spende von 50 Cent für ein Essen was dazu bei.

Rechtlicher Träger ist ein kleiner freier Verein. Ihre Zeit spenden mehr als 60 Frauen und Männer, die sich in der Küche abwechseln, Kartoffeln schälen, Gemüse putzen, kochen und am Rande oft wichtige Gespräche führen, denn zu den Tellern kommen auch persönliche Probleme auf den Tisch. Da sind Berufstätige wie Rentner dabei, Studenten wie Arbeitslose. Kriterium für ihre ehrenamtliche Arbeit: etwas Sinnvolles tun, etwas das Spaß macht. Daneben sind, um die Strukturen des Projektes zu sichern, noch drei Teilzeitkräfte in der Küche beschäftigt und zwei ebenfalls stundenweise arbeitende Sozialarbeiter für fachkundige Hilfe. Eine Bürokraft erledigt an drei Vormittagen den Verwaltungskram.

Lobbyismus mit der Kelle. Seit 1995 wird das Obdachlosenmagazin Fifty-Fifty unterstützt, seit 1996 gibt es die „Medizinische Hilfe für Wohnungslose“ und einen „Initiativkreis Armut in Düsseldorf“, bei dessen Gründung die Armenküche ebenso beteiligt war wie bei der Düsseldorfer Armenkonferenz. Seit 2015 hilft ein „Trauer & Trost-Kreis“ und versucht, für Tod und Sterben Wohnungsloser zu sensibilisieren. Auch ein Kochbuch ist erschienen: „Irgendwie jagst du deinem Kotelett hinterher.“

„Doch eigentlich haben wir es jetzt satt!“ donnert Pater Wolfgang, „wir wollen nicht länger das Alibi für eine verfehlte und mangelende Sozialpolitik liefern“ Bereits zu ihrem 25jährigen Bestehen vor zwei Jahren forderte die Altstadt-Armenküche: „Schafft die Armenküchen ab!“ Sich selbst überflüssig machen, das ist und bleibt wohl noch der Traum, in dem der Mensch weder eine öffentliche Suppenküche noch eine Tafel mit gespendeten Lebensmitteln braucht. Es geht auch um eine finanzielle Grundsicherung, um die Würde von Menschen zu erhalten, die oft entwürdigende Verwaltungs-Prozeduren über sich ergehen lassen müssen. Deshalb werden auf dem Burgplatz auch fleißig Unterschriften gesammelt für eine Resolution des „Netz gegen die Armut“ für eine durchgreifende Verbesserung des Sozialsystems. Die Liste soll im September den Düsseldorfer Landes- und Bundespolitikern übergeben werden.

Die Open-Air-Veranstaltung im Sommer ist übrigens nicht die einzige öffentliche Veranstaltung der Armenküche. Im Winter gibt’s regelmäßig ein Konzert mit hochkarätigen Musikern in der Andreaskirche.

Altstadt-Armenküche, Burgplatz 3, Telefon 0211 323 77 80, ist beim Amtsgericht eingetragen und als gemeinnützig und mildtätig anerkannt. Sie finanziert sich aus Spenden. Die Konto-IBAN: DE56300501100014010953. Wer Zeit spenden möchte kann in der Küche anrufen: 0211 323 77 80.