Stadtplanung Planungsdezernentin Zuschke: „Die Flusslandschaft ist unantastbar“

Die neue Planungsdezernentin Cornelia Zuschke über Wohnungsbau und Natur, weiße Würfel, Weimar und Düsseldorf.

Foto: Melanie Zanin

Frau Zuschke, Sie leben jetzt seit ein paar Wochen in Düsseldorf — wie gefällt Ihnen die Stadt?

Cornelia Zuschke: Als Architektin und Stadtplanerin soll man ja immer gleich bauliche Qualitäten definieren, aber ich sage erst mal einfach: Ich finde Düsseldorf sehr schön und interessant. Die Nähe zum Fluss, die Rheinlandschaft prägt die Stadt sehr, das gibt es kaum anderswo so intensiv. Und im Osten beginnt das Bergische Land, auch das ist landschaftlich reizvoll. Die Stadt ist dicht und im besten Sinne urban.

Hatten Sie vorher ein anderes Bild der Stadt im Kopf, sind Sie überrascht?

Zuschke: Ich habe nie an das neureiche Schicki-Micki-Klischee geglaubt, aber Stil und Eleganz verbindet sich etwa mit der Kö auch in meiner Vorstellung schon lange. Was ich tatsächlich hier spüre, ist diese Dynamik in der Stadt. Es gibt eine hohe Affinität, Sachen umzusetzen. Düsseldorf will bauen, hat wenig Angst vor Veränderung, das ist für eine Planungsdezernentin natürlich hochattraktiv und spannend.

Wobei sich allzu eifrige Erneuerer in der auch traditionsbewussten Stadt schnell Ärger einhandeln können.

Zuschke: Mit Sicherheit, ich sehe da aber keinen Widerspruch. Die Stadt ist wiederaufbaugeprägt, hat sich jedoch nach dem Krieg ein hohes Maß an Quartiers-Individualität bewahrt, andere zerstörte Städte, zum Beispiel Darmstadt, sind viel homogener und einheitlicher wiederaufgebaut. Ich war verblüfft, zum Beispiel an der verkehrsumtosten Oberbilker Allee liebevoll gepflegte alte Häuser mit Erker zu finden. Das deutet auf Eigentümer hin, die neben Bauträgern auch wichtig sind. Oder die Ecklösungen der sternförmig angeordneten Straßen sind großstädtisch.

Alle reden vom Wohnungsmangel, wie will die Baudezernentin ihn beheben?

Zuschke: Es ist ein Problem, das viele attraktive Großstädte trifft - und ein Patentrezept hat niemand. Ich glaube, im Kern ist zu fragen: Wie viel Außen darf sein? Wie viel Dichte verträgt das Innere? Und wie gehen wir mit den Rändern um? In Düsseldorf intensivieren wir durch das Bauen in die Höhe und erarbeiten uns Typologien des Nachverdichtens, also das Nutzen von zugewachsenen Innenflächen und -höfen etwa. Aber wir müssen stets die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums sehr sorgfältig im Blick behalten. Je dichter wir in der Stadt bauen, desto höher muss die bauliche und ökologische Qualität sein.

Umstritten ist das „Außen“: Dürfen etwa im Norden auch Grünflächen für Wohnungsbau genutzt werden?

Zuschke: Generell gilt weiter: Innen vor außen. Ich bin die Ränder von Düsseldorf abgefahren, auch mit dem Rad. Die Flusslandschaft ist unantastbar. Und wir brauchen die Frischluftschneisen, die Wald- und Landschaftsfenster. Die Frage ist freilich, ob man den ein oder anderen ausgefransten Ortsrand nicht abrunden darf — oder soll. Es sind ja schon ehemalige Dörfer in der Stadt zusammengewachsen, da gibt es noch freie Streifen, die wir uns genau anschauen müssen.

Immer wieder kritisieren Architekten die langweilige Einförmigkeit neuer Wohnquartiere, auch und gerade im gehobenen Segment — also die berüchtigten weißen Würfel im Quartier Central, den Heine-Gärten oder im Grafental.

Zuschke: In der Tat hat sich da ein etwas uniformer Baustil in den schnell wachsenden Metropolen etabliert, den ein Architektur-Kritiker mal als ängstlich-komfortabel beschrieben hat. Offenkundig hat sich ein Bedürfnis der Nachfrager nach Schönheit, Sicherheit und Individualität auf die Bauträger übertragen. Die Säulen und Gesimse zum Beispiel drücken eine Klassizismus-Sehnsucht aus im Sinne von Stilfindung. Der mobile Stadtbürger von heute hat eine gewisse Vorstellung von Qualität, die er dann an verschiedenen Standorten wiederfinden will. Nur: Architekten sollten darüber nicht spotten, sondern vehementer für ortstypische Vielfalt kämpfen. Die Kunst ist doch, unverwechselbare Quartiere zu schaffen und trotzdem modern zu sein.

Das Aufregerthema aktuell ist die Zukunft des sanierungsbedürftigen Schauspielhauses: Wie steht die neue Planungsdezernentin zu dem Bau?

Zuschke: Das Schauspielhaus ist ein Highlight der Nachkriegsmoderne und als Ensemble mit dem Dreischeibenhaus ein einzigartiges Kulturdenkmal. Selbstverständlich hat dieses Haus an diesem Platz eine Sanierung verdient.

Sie stammen aus Weimar, haben zu DDR-Zeiten an der Bauhaus-Uni studiert: Wie sehr hat Sie das beeinflusst?

Zuschke: Mein Vater war Pfarrer, ich bin gleichsam in Freiheit aufgewachsen in der Unfreiheit. Ich hatte die Aufnahmeprüfung am Bauhaus bestanden und musste dann erst einmal ein Jahr richtig auf dem Bau arbeiten. Das war eine unglaublich wichtige Erfahrung für mich und meine Arbeit als Architektin. Geprägt hat mich auch die Zeit als Leiterin der Bauabteilung der Kunstsammlung Weimar, eine schöne Verbindung von kunstgeschichtlicher und baupraktischer Arbeit. Aber ich war politisch so gar nicht auf DDR-Linie und dadurch wurde es für meinen Werdegang immer enger. Ich wollte nicht begrenzt werden und habe 1986 den Ausreiseantrag gestellt.

Im Westen waren sie dann lange in Fulda, zuletzt aber nur kurz in Darmstadt, bis das Angebot aus Düsseldorf kam. Und wenn jetzt Hamburg oder München bei Ihnen anklopfen, sind Sie dann wieder so schnell weg?

Zuschke: Nein, die klopfen sicher nicht an, sie haben hervorragende Dezernenten. Ich glaube, dass ich schon durch meine sehr lange Zeit in Fulda bewiesen habe, dass ich keine Karriere-Hopperin bin. Das Angebot aus Düsseldorf kam für mich überraschend und es war beim zweiten Mal schließlich sehr verlockend. Es ist eine tolle Herausforderung und sie hat eben erst begonnen.