Populistin Evita: zum Heulen schön
Im Sommer wird die Oper am Rhein wieder zur Musicalbühne. Am Dienstagabend gastierte der Klassiker „Evita“ in Düsseldorf.
Ihr Ende ist der Anfang: Über dem schwarz glänzenden Sarg thront das Porträt von Santa Evita. Die Ikone ist tot, es lebe die Heilige! Der vor Lebendigkeit strotzende und trotzende Che (angelehnt an eine andere Ikone, den in Argentinien geborenen Che Guevara) - protestiert. Für, gegen sein Land und gegen die Verherrlichung von Evita. Oder vielleicht auch nur darum: Glück und Macht werden mit Neid bezahlt, heißt es im Text.
Es ist die unsterbliche Geschichte, das wahre Aschenputtel-Märchen der Maria Eva Duarte de Peron, unehelich geboren 1919, mit 15 Jahren aus der Provinz nach Buenos Aires geflohen. Ihre Karriere wird in Ansätzen auch noch heute noch so von jungen Frauen angestrebt: Model, Moderatorin, Schauspielerin. Und wie der am Bühnenrand eingeblendete arg simple Text erklärt: Mädchen geht in die Stadt, hält sich ran, findet großen Mann. Doch aus diesem Sternchen wird ein strahlender Stern. Mit coolem Kalkül und initiativer Liebeserklärung an den Präsidenten Juan Peron: „Ich wäre gut für Dich“. Da kann der doch nur noch kontern: „Ich für Dich auch.“
Hure, Heldin oder Heilige? Heute würde man sie wohl eine frühe Populistin heißen. Das Volk, vor allem die Descamisados, die Hemdlosen, liebten sie abgöttisch, die feinen Damen hassten die Schöne, die zackigen Militärs die Einflussreiche, die so offensichtlich den Herrscher beherrschte. Ihr früher Krebs-Tod mit 33 Jahren sorgte für ewige Unruhe, nicht nur, weil sie im Sarg noch 17 Jahre außer Landes mehr oder weniger unterwegs war.
Das Verschwinden der sterblichen Hülle trug zu ihrer Unsterblichkeit bei. Touristenströme pilgern nach wie vor zu Evitas Grabstätte. Der Muttertag wird hier als Ehrentag der Kinderlosen gefeiert. Der Balkon für die Ballade „Don’t Cry form My Argentina“ wird auf der Düsseldorfer Bühne eindrucksvoll nach vorne geschoben zum Publikum, das sich im Lichte von Suchscheinwerfern wie das Volk fühlen kann. Vor dem Original in Buenos Aires weinen noch heute Mütter um ihre vermissten Söhne.
All diese Bilder werden auf der Bühne beschworen. Schon 2010 und 2011 war das Erfolgs-Musical des Autorenteams Andrew Lloyd/Tim Rice zu Gast in Deutschland. Jetzt, fast genau 65 Jahre nach dem Tod von Evita Peron, kehrt es mit neuer Star-Besetzung vom Londoner West End zurück. Das Düsseldorfer Gastspiel ist das einzige in NRW.
Emma Hutton gibt die Evita eher ladylike; findet aber in der Schlussszene zu überzeugender Zerbrechlichkeit. Beeindruckend ähnlich wie auf alten Pressefotos sind die Kostüme. Gian Marco Schiaretti (für Musical-Fans: Der Tarzan aus Hamburg) beherrscht die Bühne und seinen Che in großen Posen wie in kleinen Gesten. Kevin Stephen-Jones sitzen Perons Uniform und Rolle wie angegossen. Die Stimmen sind gut, das Ballett exakt, die Musik könnte manchmal mehr südamerikanische Leidenschaft vertragen, das vorgeführte kleine Mädchen mit den Zöpfen rührt natürlich. Alles zusammen ist very british perfekt, eine nicht nur in London, wo was Musical im Juni 1978 uraufgeführt wurde, umjubelte Inszenierung.
Auch deshalb: Andrew Lloyd Webber is Andrew Lloyd Webber is Andrew Lloyd Webber: Zuverlässig wiedererkennbar. Das liebt das Publikum. Dazu braucht’s dann nur noch eine Schlüsselmelodie wie „Don’t Cry for Me. . .“ zum Weitersummen auf dem Rückweg zum Parkhaus. Und wenn zum Finale im Publikum Tränchen verdrückt werden, dann eben, weil Evita zum Heulen schön ist. Denn der eigentliche Erfolg ist nicht das Stück, sondern bleibt auf immer und ewig ihre Story.
Evita läuft noch bis Sonntag, in der Deutschen Oper am Rhein. Karten 33 bis 80 Euro, Telefonisch: 0211 89 25 211, Ticktethotline 01806 101011
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