Warme Zukunftsprognose Wenn Düsseldorf so warm wird wie Tunis
Analyse | Düsseldorf · Wissenschaftler haben für verschiedene Szenarien Klima-Prognosen für Ende des Jahrhunderts erstellt. Wie es in Düsseldorf aussehen könnte und was sich dadurch alles verändern müsste.
In einem der wohl schlimmsten Szenarien, das Klimawissenschaftler untersuchen, könnte es in Düsseldorf gegen Ende des Jahrhunderts eine Durchschnittstemperatur von 14,6 Grad Celsius im Jahr geben. Im aktuellen Untersuchungszeitraum von 1991 bis 2020 liegt sie bei 10,9 Grad Celsius und damit schon deutlich höher als in den jeweils 30 Jahre umfassenden Perioden zuvor.
„Bei diesem Szenario, dem sogenannten RCP 8.5, liegen die Emissionen höher als das, was aktuell ausgestoßen wird, und die Klimaschutzmaßnahmen werden kaum eingehalten oder gar zurückgedreht – es ist mehr ein ‚weiter wie bisher‘“, erklärt Antje Kruse. Sie ist beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) NRW als Fachbereichsleiterin der Koordinierungsstelle Klimaschutz, Klimawandel beschäftigt. Bei den sogenannten RCP-Szenarien (Repräsentative Konzentrationspfade) werden verschiedene Annahmen über die Treibhausgaskonzentrationen bis Ende des Jahrhunderts im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gezogen und mit vorhandenen Daten Projektionen für verschiedenen Zeitabschnitte gestellt. Wichtig sind daneben noch RCP 4.5, ein moderater Anstieg mit entsprechenden Klimaschutzmaßnahmen (12,9 Grad Celsius für Düsseldorf) und RCP 2.6, bei dem intensivere Maßnahmen ergriffen werden und die Emissionen dadurch sogar sinken würden. Für Düsseldorf würde demnach die Durchschnittstemperatur auf 11,8 Grad Celsius steigen. Dieses Szenario entspricht einer Begrenzung der globalen Erderwärmung von zwei Grad Celsius gegenüber dem Zeitraum 1850-1900.
Basierend auf diesen Daten gibt es den Klimaatlas für Deutschland vom Deutschen Wetterdienst, während das Lanuv einen speziellen Klimaatlas für NRW eingerichtet hat. Bei diesem lassen sich die Klima-Entwicklungen der vergangenen hundert Jahre nachverfolgen – und zumindest für die Großregionen auch die Klima-Projektionen bis zum Ende des Jahrhunderts. „Düsseldorf liegt im Bereich der niederrheinischen Tiefebene. Eine kleinteiligere Projektion, etwa auf einzelne Kommunen, wäre aber nicht redlich“, sagt Kruse. „Wir haben kein Datenproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, erklärt Antje Kruse. Solche Projektionen seien variabel, aber anhand der vorliegenden Daten seien Berechnungen möglich.
Denn wer jetzt denkt, dass ein paar Grad mehr gar nicht so schlecht seien, der sollte einen tieferen Blick in die Prognosen werfen, und vor allen Dingen auch alle damit zusammenhängenden Bereiche und Faktoren nicht außer Acht lassen. Im schlimmsten Szenario würden die heutigen 42 Sommertage (mit Tageshöchsttemperaturen von über 25 Grad Celsius) auf 87 ansteigen. Das führt gerade in dicht bebauten und besiedelten Städten zu mehr Tropennächten, in denen die Temperaturen in der Nacht nicht mehr unter 20 Grad Celsius sinken. Das steigert die Gesundheitsgefahren für Menschen, es erhöht die Waldbrandgefahr, hat Auswirkungen auf Land- und Forstwirtschaft, aber auch auf den Bau und etliche andere Lebensbereiche. Umso wichtiger sind daher Klima-Anpassungsmaßnahmen, die etwa in Düsseldorf schon verfolgt werden.
„Auch die Idee von Klimazwillingen ist sinnvoll für die Vorbereitungen auf die Zukunft“, meint Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst. In Düsseldorf etwa hat man festgestellt, dass hier ein Klima herrschen könnte, wie heute in Toulouse in Südfrankreich, dessen Klimazwilling wiederum die tunesische Hauptstadt Tunis ist. „So können Erfahrungen ausgetauscht werden.“ Er wisse von der Deutschen Bahn, die sich beim italienischen Pendant über Klimaanlagen, Asphalt, Dehnungsfugen bei Brücken und vieles mehr informiere.
Im Sommer weniger,
im Winter mehr Niederschlag
Die steigenden Temperaturen werden auch einen Einfluss auf den Niederschlag haben. „Es wird in Gesamtdeutschland und damit auch in NRW eine Umverteilung des Niederschlages geben“, erklärt Andreas Walter. Die Gesamtmenge werde sich vermutlich wenig ändern, dafür wird es im Sommer weniger und in den Wintermonaten mehr geben. Gerade im Sommer werde es mehr auf Starkregen hinauslaufen, wobei das Wasser wegen der trockenen beziehungsweise versiegelten Böden schlecht versickern kann.
Antje Kruse rechnet mit zunehmend aridem Klima: „Das bedeutet, dass der Niederschlag in über zunehmend mehr Monaten im Jahr unterhalb der potenziellen Verdunstung liegt.“ Das habe ebenfalls Auswirkungen auf die oben genannten Bereiche, denn insbesondere Land- und Forstwirtschaft werden sich auf deutlich trockenheitsresistentere Pflanzen umstellen müssen und zudem mit weiter verschobenen Vegetationsperioden rechnen. „Auch die Grundwasserneubildung wird nach solchen Aussichten schwieriger“, so Kruse.
Wichtig, so sind sich beide Experten einig, sei es deshalb, anhand der Datenlage auch entsprechend zu handeln und Klimaschutz- und -Anpassungsmaßnahmen bereits jetzt verstärkt zu ergreifen.