Puzzlespiel für Waffenexperten

Das modernste Schusslabor Europas steht in Düsseldorf. Techniker analysieren dort die Munition, die an Tatorten gefunden wurde.

Düsseldorf. „Unsere Großväter haben in Watte geschossen“, sagt Wolfgang Grube (60) und lächelt. Der Waffenexperte des Landeskriminalamts (LKA) steht vor einem meterlangen Schusskanal aus Holz, gefüllt mit Watte. Die Apparatur ist ein Überbleibsel veralteter Kriminaltechnik.

Im modernen Beschusslabor des LKA in Düsseldorf wird nur noch in seltenen Ausnahmefällen in Watte gefeuert. Der Profi schießt die Kugeln einen Raum weiter in ein acht Meter langes Wasserbecken. Unter dem Mikroskop kommt dann der metallische „Fingerabdruck“ zum Vorschein, den jede Schusswaffe auf der Munition hinterlässt.

Beamten wie Grube ist es zu verdanken, dass etwa hinter den Taten der Terroristen der NSU die Serie erkennbar wurde. Die Spezialisten konnten anhand der Munition schnell feststellen, dass fast alle Morde mit derselben Waffe begangen wurden.

Ein Vorteil des Wassers: Die Kugel liegt gut sichtbar am Grund auf einem Gitter und kann schnell geborgen werden. In der Watte begann nach dem Schießen stets die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Außerdem bleiben im Wasser auch feinste Spuren erhalten, die von der Watte abgeschliffen werden können.

Liegt die Vergleichsmunition endlich vor, beginnt der stille Teil der Arbeit an einem 80 000 Euro teuren Spezialmikroskop. Da wird Rille für Rille, Feld für Feld analysiert und verglichen. Das durch die Reibung im Lauf entstandene Riefen-Profil der Munition identifiziert die Waffe und die aus ihr abgefeuerten Kugeln so eindeutig wie ein Fingerabdruck.

Die spektakulärste Herausforderung? „Das war die Aufarbeitung des Gladbecker Geiseldramas“, so Grube. Eine Unzahl von Kugeln war abgefeuert worden, zertrümmerte Querschläger, verschiedene Waffen, eine unübersichtliche Lage — ein Puzzlespiel für die Kriminaltechniker.

Aber auch für minderschwere Fälle ist das Labor zuständig: Kann die Kugel aus dem Luftgewehr tatsächlich aus 80 Meter Entfernung die Haut eines Opfers durchschlagen haben? Oder ist der Verdächtige unschuldig? Auch bei solchen Fragen kommt Grube als Sachverständiger ins Spiel. Im Fall mit dem Luftgewehr war der Verdächtige nachweislich unschuldig.