Richter im Prozess um Achenbach: Der Herr der Zahlen

Die „Zeit“ nennt ihn den „Star“ des Achenbach-Prozesses: Richter Johannes Hidding leitet das Strafverfahren gegen den prominenten Kunstberater. Durch Hiddings bohrende Fragen sind schon einige fragwürdige Geschäftspraktiken des Kunstmarkts publik geworden.

Essen (dpa) - Hart in der Sache, freundlich im Ton: Seit Dezember 2014 führt Johannes Hidding durch den spektakulären Betrugsprozess gegen den bekannten Düsseldorfer Kunstberater Helge Achenbach. Am Montag soll das Urteil verkündet werden. Der 40-Jährige mit dem strengen Scheitel ist zwar erst im vergangenen Sommer offiziell zum Vorsitzenden Richter am Landgericht Essen befördert worden. Der Umgang mit Zahlen, Rechnungen und Geldbeträgen in Millionenhöhe ist Hidding dennoch schon seit langer Zeit vertraut.

Auch wenn man manchmal ein Lächeln auf dem Gesicht des Richters zu erkennen meint, so wird doch immer wieder schnell klar: Hidding fragt unerbittlich nach - und hat im Verlauf des Achenbach-Prozesses durch seine bohrenden Fragen schon einige überraschende Praktiken des sonst so verschwiegenen Kunstmarkts ans Tageslicht befördert.

2007 wechselte der promovierte Jurist - damals noch als Beisitzer - in die 21. Strafkammer des Essener Landgerichts. Deren Spezialgebiet, der Wirtschaftskriminalität, hat er sich so pragmatisch genähert wie es auch seine Art in der Führung einer Hauptverhandlung ist. „Man muss sich in jedes Themenfeld einarbeiten“, hat Johannes Hidding einmal gesagt. Dass er schon immer ein Faible für Mathematik und Zahlen hatte, kann man demnach nicht behaupten.

Im spektakulären Fall um Deutschlands bekanntesten Kunstberater ist Hidding nun selbst der Vorsitzende. Natürlich hat er sich im Verlauf der Verhandlung nie in die Karten schauen lassen, wie er persönlich zu millionenschweren Kunstgeschäften steht. Das verbietet dem stets korrekt auftretenden 40-Jährigen die professionelle Distanz.

Seit Mai 2013 hat der Jurist am Landgericht Essen auch die Aufgabe des Pressesprechers inne. Im Prozess gegen den früheren Topmanager Thomas Middelhoff wurde er durch einige souveräne Medienauftritte bekannt. In seinen eigenen Prozessen tritt er die Sprecherfunktion an Kollegen ab.

Hidding führt den Achenbach-Prozess konzentriert und behutsam. Als dem 62-jährigen Achenbach bei seinem Teilgeständnis die Tränen kamen, unterbrach Hidding umgehend die Verhandlung, um dem Angeklagten Zeit zu geben, sich wieder zu sammeln. Hidding ließ den Zeugen im Prozess auch Zeit zum Erzählen. Seine freundliche und scheinbar ahnungslose Eingangsfrage an Millionäre, Künstler und Galeristen lautet stets: „Um einen Einstieg zu finden, beschreiben Sie doch mal, was sie so machen...“

Anfangs hatte es so den Anschein, als sei der Kunstmarkt Hidding völlig fremd. Doch mit seinen gezielten und auch nach stundenlanger Verhandlung immer konzentrierten Fragen arbeitete er die ein oder andere Fragwürdigkeit schonungslos heraus. Etwa als er eine Galeristin fragte, wie das denn mit den Auflagen der Werke des Fotokünstlers Andreas Gursky eigentlich sei.

Die Kammer unter Vorsitz von Hidding hatte nämlich selbst intensiv im Internet recherchiert. Dabei hatte sie herausgefunden, dass eine Galerie in Sydney auf der anderen Seite der Erdkugel dieselbe Auflage eines Gursky-Fotos gekauft haben sollte wie ein von Achenbach betrogener Kunde. Zweimal darf die gleiche Auflage aber gar nicht produziert werden. Die Galeristin im Zeugenstand in Essen beschwichtigte: Die Galerie in Sydney habe sich vertan und den Irrtum auf der Website korrigiert.