Interview Schauspieler Ernst Stötzner: „Theater müssen kleine Brötchen backen“

Schauspieler Ernst Stötzner spricht über seine Rolle als Prospero, Düsseldorf und die Arbeit mit Regisseuren wie Jürgen Gosch.

Foto: Theater

Düsseldorf. Auch mit 63 Jahren gibt es immer noch Überraschungen und Neuanfänge. Eine Erfahrung, die Ernst Stötzner häufig in letzter Zeit machte. Berufliche, versteht sich. Über sein Privatleben und die berühmte Dörte Lyssewksi, die Mutter eines gemeinsamen Sohnes, spricht er nicht. Beim ersten Treffen könne man doch nicht gleich alles offenbaren.

Stötzner, der als junger Absolvent der Schauspielschule in den späten 70ern sein erstes Engagement in Düsseldorf antrat (unter Intendant Beelitz) und vor zehn Jahren als Gast in der erst umstrittenen, durch das Berliner Theatertreffen geadelte „Macbeth“-Inszenierung von Jürgen Gosch mitwirkte, traf zufällig Günther Beelitz. Im letzten Sommer. In Salzburg. Man kennt sich seit Jahrzehnten. Und sofort kam das Angebot, den Prospero in Shakespeares „Sturm“ zu spielen. Wenn er und seine Familie auch längst in Berlin wohnen, so nahm der vielseitige Mime, dessen Gesicht in letzter Zeit durch zahlreiche TV-Serien und -Filme einem großen Publikum bekannt wurde, das Angebot an.

Am Samstag, 19.30 Uhr, feiert die „Sturm“-Inszenierung von Volker Hesse Premiere im Großen Haus (es gibt noch Restkarten). Zwischen Theater-Proben und Dreharbeiten in Köln (für einen Fallada-Kinofilm „Jeder stirbt für sich allein“) sprachen wir mit Ernst Stötzner — über das Leben im und mit Theater, Theater-Größen wie Jürgen Gosch und skandalumwitterte Macher wie Matthias Hartmann. Mit beiden arbeitet er Jahre lang zusammen.

Herr Stötzner, mal wieder zurück in Düsseldorf. Wie ist das?

Ernst Stötzner: Seltsam war nur die Rückkehr vor zehn Jahren. Ich sah damals viele Kollegen, die ich noch von früher kannte. Ich wanderte von Berlin, nach Hamburg und Bochum, sie blieben. Das erstaunte mich. Jetzt überrascht mich nur die Tatsache (er schmunzelt), dass die Tische auf der Probebühne noch dieselben sind wie 2005.

Was reizt Sie am Prospero in Shakespeares „Sturm“?

Stötzner: Ich habe das Stück noch nie gespielt. Reizvoll ist: Prospero ist ein Eigenbrötler. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Prospero glaubt zunächst an irrationale Dinge und Geister und mutiert am Ende doch zu einem Vernunft gesteuerten Wesen, das Kompromisse eingeht. Je mehr man diese Widersprüche denkt, desto toller finde ich das.

Sie haben mit bedeutenden Theatermachern gearbeitet. . .

Stötzer: Und beim „Sturm“ mit Altmeister Volker Hesse. Das klappt. Ich kann mich gut drauf einstellen.

Was war denn anders bei Jürgen Gosch?

Stötzner: Er gerierte sich nicht als Beherrscher der Mechanik oder allwissender Regisseur, der Schauspielern die Welt erklärt. Da Gosch vom üblichen Theaterbetrieb gelangweilt war, forderte er von uns, bei den Proben zu improvisieren. Er lehnte Standard-Deutungen von Klassikern ab. Das gab uns bei „Macbeth“ enorme Freiheit, bedeutete aber auch ein hohes Grundlagen-Risiko, zu spüren bei den einst laut schlagenden Türen.

Fehlt Ihnen Gosch?

Stötzner: Und wie! Weil für ihn klar war: Theater ist für Schauspieler da. Und er hat mit mir ja auch in Hamburg, Bochum und Berlin gearbeitet.

Sind Sie als Regisseur von ihm beeinflusst?

Stötzner: Nur bedingt. Gosch sprach kaum, war ein Schweiger, ich bin schon eher eine Quatschtante.

Wann haben Sie mit der Regie begonnen?

Stötzner: In Bochum, unter Matthias Hartmann (2000-2005). Da konnten Schauspieler auch Regie führen.

Warum sind Sie Hartmann nicht nach Zürich und an die Wiener Burg gefolgt?

Stötzner: Ich hatte meine Schwierigkeiten mit ihm. Er liest am liebsten „Auto, Motor, Sport“, ist einer der besten Schaumschläger der Branche und nur an vollen Häusern und Geld interessiert. Er orientiert sich an Trends. So passt es gut, dass er künftig (nachdem er von der „Burg“ gefeuert wurde) das Programm für den Red Bull-Media-Konzern und Servus-TV machen wird.

Warum haben es Stadttheater heute so schwer?

Stötzner: In Berlin sind alle Häuser voll. Bei den vielen Touristen kein Wunder. Aber in kleineren Städten spürt man, dass heute im Theater keine Zeitgeist-Orakel mehr vermutet werden. Viele Theater haben die Schraube überdreht und orientieren sich an Events. Wer gutes Theater haben will, muss erst mal kleine Brötchen backen.