Düsseldorf Schule ohne Noten soll 2017 an den Start gehen

Pädagogen und Eltern haben die Initiative „Demokratische Schule“ gegründet.

Tom Knevels und Cecilia Gläsker (mit Sohn Ferdinand) setzen sich für eine Schule ohne Noten und Lehrplan ein.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wenn Cecilia Gläsker und Tom Knevels an ihre Schulzeit zurückdenken, hält sich ihre Begeisterung in Grenzen: „Es gab viel Lustlosigkeit. Ich habe mich mit minimalen Aufwand so durchgeschlagen. Ich hatte keinen Spaß am Lernen“, sagt Knevels. Cecilia Gläsker hat ebenfalls ein Gymnasium besucht: „Mir wurde früh der Stempel einer Rechtschreibschwäche aufgedrückt, in Mathe hatte ich eine Eins“, sagt sie. „Das war meine Rolle, und die habe ich erfüllt. Weil ich keine Möglichkeit hatte, mich frei zu entwickeln.“

Tom Knevels und Cecilia Gläsker wünschen sich für ihre Kinder eine andere Schulzeit. An einer Schule ohne Lernzwang, ohne Noten oder Pausengong. „Demokratische Schule“ nennt sich die Schulform, die die beiden Düsseldorfer mit ihrem Verein schon 2017 an den Start bringen wollen.

Kinder vom vierten bis 19. Lebensjahr lernen in der „Demokratischen Schule“ zusammen. „Dadurch, dass es keine Alterstrennung nach Klassen gibt, kommt Konkurrenz gar nicht erst auf“, sagt Gläsker. Weil alle ein anderes Alter haben, könnten sich die Schüler gar nicht vergleichen. Sie könnten aber voneinander lernen. Tom Knevels: „Kleinere Kinder sind von den älteren fasziniert, andersherum kümmern sich ältere Kinder gerne um die jüngeren.“

Beim Stundenplan setzt die Demokratische Schule auf den natürlichen Forscherdrang jeden Kindes. Dahinter steht der Gedanke, dass am Ende auch nur die Dinge am Ende als Wissen hängenbleiben, die Kinder begeistert und die sie auf Eigeninitiative erforscht haben. Ein Beispiel: „Wenn ein Kind wissen will, wie eine Brücke gebaut wird, muss es sich mit Mathe beschäftigen. Und dann wird es das auch gerne tun“, sagt Gläsker. Sind auch andere Kinder an dem Thema interessiert, entsteht eine Gruppe, die sich schließlich mit dem Mathelehrer und quadratischen Funktionen beschäftigt. „Kinder wollen lernen. So sind sie auf die Welt gekommen. Sie haben auch das Sprechen gelernt, ohne dass man ihnen 45-Minuten-Sprechunterricht verordnet hat“, sagt Gläsker. Tom Knevels: „Wir orientieren uns am Lehrplan NRW. Die Lehrpläne sind sehr offen gehalten und müssen unserer Schulform nicht widersprechen.“ Weil sich die Demokratische Schule aber nach dem jeweiligen Tempo und individuellen Lernwillen des Kindes richtet, gibt es laut Knevels nicht immer eine Garantie, dass alle Teile des Lehrplans abgedeckt werden. „Diese Garantie gibt es aber auch an anderen Schulen nicht“, sagt er.

Im Sommer 2017 soll die Schule an den Start gehen. „Es gibt schon jetzt 40 Eltern, die ihr Kind anmelden wollen“, so Gläsker, selbst Mutter eines einjährigen Sohnes und einer drei Jahre alten Tochter. Johanne Mommsen ist eine dieser interessierten Mütter: „Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, meinen Sohn auf die Demokratische Schule zu geben. Auch und ganz besonders als weiterführende Schule“, sagt sie. „Ich habe auch keine Angst, er würde sich ohne Noten und im selbstbestimmten Lernen nicht bilden. Ich glaube, gerade wenn Kindern das Vertrauen entgegengebracht wird, können sie zu verantwortungsvollen Menschen werden, die ihre sich selbst gesetzten Bildungsziele aktiv angehen und lernen, sich in der Gesellschaft einzubringen.“

Ein Gebäude an der Kappeler Straße in Reisholz haben die Vereinsmitglieder auch schon ins Auge gefasst, unterschrieben ist aber noch nichts. Das Genehmigungsverfahren ist laut Knevels auch deshalb noch nicht abgeschlossen. „Es gibt einige Dinge einzureichen. Darunter ein Mietvertrag und Verträge mit Lehrern, die an unserer Schule tätig sein werden.“ Das Land finanziert das Schulmodell zu 87 Prozent, der Rest wird auf ein geringes Schulgeld umgelegt.

Vorurteile gegenüber der Schulform bekommen Gläsker und Knevels selten zu hören. „Die größten Probleme werden Eltern aber damit haben, dem Kind zu vertrauen“, sagt Gläsker. „Es wird Situationen geben, da kommt das Kind aus der Schule und die Mutter fragt es, was es heute gemacht hat. Und die Antwort wird auch mal ,nichts’ lauten. Das so stehen zu lassen, wird für Eltern eine große Herausforderung sein“, sagt Knevels.

Schulabschlüsse sind auch für Schüler der Demokratischen Schule möglich: „Wenn ein Schüler einen Abschluss machen möchte, kann er ihn auch machen. Wir helfen ihm, sich darauf vorzubereiten. Die Prüfung macht er dann extern“, sagt Knevels. An der Demokratischen Schule habe der Schüler auch die Möglichkeit, sich mal zu langweilen und darüber nachzudenken, was er mit seinem Leben anfangen will. „Und wenn er mit 15 oder 16 Jahren merkt, dass er gerne Architekt werden will, dann wird er sich auch anstrengen, einen Abschluss zu schaffen.“