Sitzenbleiben: Was sagen Eltern und Lehrer?

Die Politik will die „Ehenrunde“ abschaffen. Eine betroffene Familie und Schulleiter aus Düsseldorf schildern ihre Erfahrungen.

Düsseldorf. Sollte das Sitzenbleiben in Nordrhein-Westfalen abgeschafft werden, käme das für die 15-jährige Marie Weiler (Name geändert) aus Düsseldorf zu spät. Die Schülerin wiederholt gerade die 7. Klasse an einem städtischen Gymnasium. Ob das Wiederholungsjahr für ihre Tochter sinnvoll ist — Maries Mutter Astrid Weiler ist sich da nicht sicher.

Die Ankündigung der Landesregierung, in Nordrhein-Westfalen das Sitzenbleiben abzuschaffen, hat in Politik und Medien heftige Diskussionen ausgelöst. Non enormen Kostenersparnissen ist die Rede. Aber was sagen eigentlich Betroffene und Schulen dazu?

Marie Weiler war in der Grundschule eine Einser- und Zweierkandidatin. Auf dem Gymnasium gingen die Noten dann etwas hinunter, aber in der 7. Klasse verlor das Mädchen dann immer mehr die Lust an der Schule: „Das hing wohl mit der Pubertät zusammen“, sagt ihre Mutter. Aber auch mit dem vielen Unterrichtsausfall hadert sie und vermisst damals zudem die Unterstützung der Lehrer. Nur die Englischlehrerin habe sie gefördert, etwa zusätzliche Aufgaben zugemailt.

Lange Zeit habe Marie nicht wahrhaben wollen, was auf sie zukam — bis zum Zeugnis mit drei Fünfen, davon zwei in Hauptfächern. Nach den Ferien musste Marie sich in eine neue Klasse einfinden. Die Noten haben sich inzwischen stabilisiert, auch wenn es an der Lernmotivation noch hapert. Astrid Weilers Fazit ist trotzdem ernüchtert: „Marie hat ein Jahr verloren, wurde aus ihrer Klasse herausgerissen. Ich glaube in Maries Fall war das Sitzenbleiben nicht sinnvoll.“

Spricht man mit Schulen, ergibt sich dagegen ein anderes Bild. Demnach ist Marie nicht unbedingt die typische Sitzenbleiberin, meint Konrad Großmann, Rektor des Rückert-Gymnasiums: „Die bei uns sitzen bleiben, sind meist Schüler, die durch die Bank sehr schlechte Leistungen gebracht haben.“ Die meisten, die eine Stufe wiederholen, würden davon profitieren. Das abzuschaffen, davon hält Großmann überhaupt nichts: „Das wäre auch die völlig falsche Botschaft an die Schüler.“ Fleiß solle belohnt werden.

Skeptisch zeigt sich auch sein Kollege Raimund Millard von der Realschule Benrath: Wie andere Schulleiter hat er beobachtet, dass die Zahl der Sitzenbleiber langfristig abnehme. Wer an einer Realschule eine 5 in Deutsch, eine 6 in Chemie und eine 3 in Mathe habe, werde versetzt.

Dass die Landesregierung auf individuelle Förderung statt Sitzenbleiben setzt, registriert Millard aber nicht ohne Sarkasmus: „Wir fördern bereits, aber nicht alle nehmen das an.“ Problematisch seien die Schüler, die nicht lernen wollten und zu Hause keine Unterstützung bekämen. Im Schnitt würden 97 bis 98 Prozent der Schüler versetzt.