Düsseldorf St. Martin: Als armer Mann durch die Altstadt

Mehrere tausend Menschen kamen zum großen Martinszug. Dessen Star im Schatten ist seit fast 30 Jahren Branko Alfermann als Bettler.

Düsseldorf. Der Zug setzt sich an St. Lambertus in Bewegung zu den Klängen von „St. Martin“ aus mehreren Trompeten. Branko Alfermann schaut auf die breiten, dunkelbraunen Hintern zweier Kaltblutpferde. „Den besseren Überblick hat eindeutig St. Martin“, sagt er lachend. Aber ohne ihn, Alfermann, würde hier heute beim großen Martinszug durch die Altstadt auch gar nichts gehen. Er ist der arme Mann.

Düsseldorf: St. Martin: Als armer Mann durch die Altstadt
Foto: Judith Michaelis

Auch an diesem Dienstagabend geht ohne Alfermann nichts. Jedenfalls geht das Feuer nicht an. An der Mühlenstraße hilft er den kleinen Fackelträgern mit Papierknüddeln und Feuerzeug aus; kurz bevor das Riesenrad am Burgplatz in Sicht kommt, flackert das Feuer. „So habe ich auch mal angefangen — als Fackelträger“, erinnert sich Branko Alfermann. St. Martin liegt ihm sozusagen im Blut. Sein Vater war der erste Bettler nach dem Krieg und blieb es 40 Jahre lang. „Ich habe es dann nahtlos von ihm übernommen“, erinnert sich der 47-Jährige, der im kommenden Jahr auch schon 30-Jähriges feiert.

Es waren gute 29 Jahre bisher, erkältet hat sich Alfermann in den knappen Lumpen nie — überhaupt habe es nur zweimal richtig scheußliches Wetter gegeben. Heute spaziert er sogar mit hochgekrempelten Ärmeln durch die milde Abendluft, als es neben Martins Pferd durch die Bolkerstraße geht — an Biertrinkern am Schlüssel vorbei, dann an Rotweintrinkern am Café Madrid. Vor dem Rathaus recken sich Kinder aus Buggys und über die Absperrgitter, als der Tross pünktlich um 17.30 Uhr einreitet. Branko Alfermann trennt sich vom Heiligen und rennt vor.

Kritisch schaut der arme Mann auf den grellen Lichtkegel vor dem Rathaus. „Das Pferd heute hatten wir noch nicht ...“ Und tatsächlich macht der Schecke Milko hinter ihm große Augen, als er dem Licht näher kommt. Drei Anläufe braucht St. Martin alias Engelbert Jäger, um das Pferd ins Scheinwerferlicht zu manövrieren, bevor Alfermann sich auf die Knie werfen und die Hände zu ihm hoch recken kann. Er bekommt seine erste Mantelhälfte.

Nur vier Minuten später und wenige Meter weiter allerdings muss der Bettler sie wieder abgeben. An der Marktstraße knöpfen zwei Ordner den roten Stoff wieder zusammen — es geht zur zweiten Mantelteilung. In die Flinger Straße reitet Ritter Martin noch nur in Rüstung ein, an der Mittelstraße wird er wieder ummantelt. Und wieder muss der belumpte Alfermann aushelfen, gleichzeitig bei der Befestigung helfen und die Zügel des zappeligen Milko halten.

Nach einer Schleife am Carlsplatz vorbei kommt um 17.48 Uhr abermals das Riesenrad in Sicht. Hunderte Kinder mit Laternen und Eltern stehen dort aufgereiht. „Das ist das Wetter“, sagt Alfermann, der wiederum vorläuft und sich im Schatten versteckt, während St. Martin winkend die Absperrung auf- und abreitet, in diverse Handykameras lächelt. Der arme Mann muss aufs Rampenlicht warten.

Mit drei Schwerthieben ist der Mantel ein zweites Mal geteilt, Ritter, Bettler und Bischof drehen mehrere Ehrenrunden über den Burgplatz, bevor sie Richtung St. Lambertus verschwinden. Branko Alfermann zieht sich gleich die Lumpen aus und knippelt den Klebebart ab — er muss noch am Abend zurück nach Bayern, wo der Ingenieur inzwischen arbeitet. Extra-Urlaub für Düsseldorfer arme Männer — leider Fehlanzeige.