Stadt-Teilchen Alles Pinguinhasser hier?
So richtig pinguinfreundlich ist Düsseldorf nicht
Als ich kürzlich durch die Karlstadt flanierte, kam mir in Höhe der Poststraße ein Gedanke. Düsseldorf ist doch sehr schön, dachte ich. Die Häuser, das Wasser, die Bäume. Sehr schön, das alles. Also für Menschen. Die haben es gut. Alles ist auf sie ausgerichtet. Also nicht wirklich alles. Manches ist auch ausgerichtet auf Autos. Eigentlich ist sehr vieles ausgerichtet auf Autos. Viel zu viel, sagen manche. Ich murmele das halblaut vor mich hin.
„Hört, hört“, sagt da jemand hinter mir, und als ich mich umdrehe, sehe ich, wie ein kleiner Pinguin aus dem Wasser watschelt und sich direkt vor mir postiert. Ein Pinguin mitten in Düsseldorf? Ich merke gleich: Der Pinguin ist sauer. „Ey, Alter, was laberst du da“, raunzt er mich an und gibt seiner Empörung dann ohne erkennbares Luftholen weiter Raum. „Wen interessiert denn, ob Düsseldorf autofreundlich oder menschenfreundlich ist? Doch höchstens deine Leser.“
„Ja, meine Leser“ entgegne ich wie ein Echo und wundere mich ein bisschen, dass ich mich so wenig über die Tatsache wundere, dass ich mich hier mitten in Düsseldorf mit einem Pinguin unterhalte. „Natürlich meine Leser“, bekräftige ich meine vorherige Aussage nochmal.
„Ach, papperlapapp“, sagt der Pinguin und wackelt einmal von seinem niedlich kleinen linken auf das niedlich kleine rechte Bein. „Und wer denkt an uns Pinguine“, fragt er mit viel Empörung in der Stimme.
„Wieso sollte Düsseldorf denn pinguinfreundlich sein“, will ich von ihm wissen, aber da zischt er mir schon seine Antwort entgegen. „Du hast was gegen Pinguine“, sagt er. „Du bist ein Pinguinhasser.“
Ehe ich mich der Anwürfe noch erwehren kann, setzt er seine Tirade fort. „Hast du mal daran gedacht, wie schwer es für uns Pinguine ist, in eine Straßenbahn zu steigen“, will er wissen. Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Offenbar ist es für Pinguine schwer, in eine Bahn zu steigen. Irgendwie bleibt ja immer eine kleine Stufe. Das mag sein, dass das schwer ist. Obwohl ich mich frage, wie denn die Pinguine in der Antarktis auf ihre Felsen kommen. Aber muss mich das überhaupt interessieren? Im Moment wohl schon, denn der Pinguin weicht mir nicht von der Seite.
Auf der Bäckerstraße versuche ich, meinen Schritt zu beschleunigen. Irgendwie ist es mir ein bisschen peinlich, hier gesehen zu werden, im Gespräch mit einem Pinguin. Was sollen meine Freunde denken?
In der Tat klappt es, den Pinguin hinter mir zu lassen. Seine Stimme ist aber trotzdem gut zu hören. „Da siehst du mal, wie pinguinunfreundlich Düsseldorf ist“, zischt er und weist mit einem seiner einst mal Flügel gewesenen Flossen aufs Kopfsteinpflaster. Dann raunzt er noch völlig grundlos einen Passanten an. „Aus dem Weg, du Arschgeige“, sagt er, was mich dazu veranlasst, meinen Schritt zu verlangsamen. Als der Pinguin auf meiner Höhe ist, setze ich mit meiner Lehrerstimme an. „Hör mal“, sage ich: „So sprechen wir hier in Düsseldorf nicht miteinander.“
Den Pinguin beeindruckt das herzlich wenig. „Stell dich nicht so an, du Mimöschen“, raunzt er. Ich beginne zu ahnen, warum Pinguine ansonsten eher in schwer abgelegenen Gegenden wie der Antarktis oder im Zoo hinter Glas versteckt werden.
Als wir die Uferpromenade betreten, überholt mich der Pinguin und watschelt in irrwitzigem Tempo eine Treppe runter zur Rheinkante. Das sieht ein bisschen putzig aus. Unten bleibt der Pinguin einen Moment stehen, holt tief Luft und beginnt, erneut zu schimpfen. „Total pinguinunfreundlich“, krächzt er und weist auf den Zaun und die Meter bis zum Wasser hin. „Da komme ich vielleicht noch rein, aber nie wieder raus“, sagt er. „Ihr seid alles Pinguinhasser.“
Als ich entgegne, er könne doch einfach rüberschwimmen nach Oberkassel“, guckt er mich völlig verständnislos an. Ich kenne diesen Blick sonst nur von meiner Frau, wenn ich der mitten in der Dürre sage, dass es zu feucht sei, den Rasen zu mähen.
So einem empörten Pinguinblick muss man erst einmal standhalten. Diese Empörung! Diese Abscheu! Ich beschließe, den Ruf Düsseldorfs zu retten. Ich will nicht, dass dieses Wesen weiter durch die Altstadt marodiert, grundlos Passanten beleidigt und am Ende noch für eine Schlagzeile wie „Düsseldorf - pinguinunfreundlichste Stadt Deutschlands“ sorgt. Ich beschließe, den Pinguin mitzunehmen.
Als wir bei meinem Auto ankommen, setzt er an, sich über die Einstiegshöhe zu beschweren. „Ja, total pinguinunfreundlich“, sage ich, bevor er es tun kann. Natürlich will er nicht hinten im Kombi fahren, er will auf den Beifahrersitz. Ich hieve ihn hoch, woraufhin er einen lauten Pups in Richtung meines Gesichts entlässt. Für einen Moment glaube ich, dass ich gleich sehr, sehr pinguinunfreundlich werde.
Aber immerhin sitzt der kleine Kerl im Frack nun auf dem Beifahrersitz, von wo er prompt das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer kritisiert. „Fahr doch, du Idiot“, sagt er nicht nur einmal. Der Rest sind Ausdrücke, bei denen ich Zweifel habe, ob sie durch die Genfer Konvention abgedeckt werden.
Um es kurz zu machen: Der Pinguin hat noch keinen Namen, aber er lebt jetzt bei mir im Bad. Nachts höre ich ihn manchmal zischen. „Alles Pinguinhasser hier.“ So langsam gewöhne ich mich an das putzige Kerlchen. Er hat nun mal einen derben Charme, und ganz ehrlich: So richtig pinguinfreundlich ist Düsseldorf wirklich nicht. Ich werde mal mit dem OB konferieren, was man da tun kann. Und wenn irgendjemand einen Tipp hat, wie man einem Pinguin ein wenig Benimm beibringen kann, dann gerne schreiben.