Düsseldorf Stolpersteine: Angehörige ist sauer

Düsseldorf · Angehörige und Nachbarn freuten sich auf eine festliche, würdevolle Zeremonie für Opfer des Nazi-Regimes. Von dem Ablauf waren sie dann aber enttäuscht.

Foto: Michaelis

Düsseldorf. Ein besonderer Tag soll es für sie werden. Ein Ereignis, das ihr sehr viel bedeutet. Jessica Jakoby ist extra aus Berlin nach Düsseldorf gereist, um dabei zu sein, wenn zwei Stolpersteine als Gedenken an ihre Großeltern Artur und Ella Jakoby verlegt werden. Das jüdische Ehepaar wurde 1941 deportiert und in Minsk von den Nazis ermordet.

Vor dem Haus an der Venloer Straße 11a, in dem das Ehepaar Jakoby zuletzt gelebt hatte, herrscht an diesem Vormittag viel Trubel. Presse-Fotografen lichten gerade Gunter Demnig ab, der die beiden Steine routiniert in den Boden des Bordsteins hämmert. Keine zwei Minuten dauert das Prozedere, dann packt der Kölner Künstler sein Werkzeug wortlos zusammen und fährt zur nächsten Station. 15 neue Steine verlegt er heute in Düsseldorf, will dabei keine Zeit verlieren. Akkordarbeit — zum Leidwesen der Angehörigen.

„Der ganze Ablauf hat mir überhaupt nicht gefallen“, sagt Jessica Jacoby hinterher sichtlich enttäuscht. In der Hand hält sie ein jüdisches Gebetbuch, aus dem sie vorlesen wollte. „Dieser Moment, der für mich sehr besonders werden sollte, wurde durch die ganze Hektik drum herum zerstört. Es war unpersönlich und überhaupt nicht feierlich.“ Als ein Mofa-Fahrer mit seinem Gefährt achtlos über die Steine rollt, schüttelt sie verärgert den Kopf: „Auf dem Bordstein wäre noch genug Platz links und rechts gewesen.“

Auch vor dem Haus auf der Merkurstraße 6 gibt es seit gestern drei Stolpersteine, die an die Eheleute Sack erinnern, die 1941 in Minsk hingerichtet wurden - zusammen mit ihrem Sohn, der damals gerade fünf Jahre alt war. Doch auch hier in Bilk hinterlässt die Aktion an diesem Tag enttäuschte Gesichter und einen schalen Beigeschmack. „In einem Schreiben an uns hieß es, die Steine werden um zehn Uhr verlegt. Als wir um kurz vor zehn ankamen, waren die Messingtafeln aber schon im Boden“, berichtet ein Nachbar, der Geld für die Steine gespendet hatte.

Seine Frau und er hatten sogar ihren Urlaub verschoben, um bei der Verlegung dabei sein zu können. „Dieser kostbare Moment, wenn die Steine angebracht werden, wurde uns geraubt, weil Absprachen gebrochen wurden“, sagt der Nachbar, der anonym bleiben möchte.

Im Vorfeld haben sie sich viel mit dem Schicksal der Familie Sack beschäftigt, erzählt das Ehepaar. „Wie jetzt mit uns umgegangen wurde, ist nicht sehr würdevoll“, finden sie.

Zusammen mit einer anderen Nachbarin verabreden sie sich für den Nachmittag, wollen drei Kerzen für die Opfer anbringen. Und auch Jessica Jacoby will nach dem ganzen Trubel die Zeit bis zu ihrer Abreise nach Berlin nutzen, um in aller Ruhe ihren Großeltern zu gedenken: „Dafür bin ich schließlich hergekommen.“