Gedenken in Kempen „Stolpersteine werden uns helfen“

Kempen · Auf Ellen- und Heilig-Geist-Straße gab es am Montag Gedenkveranstaltungen für die Familien Winter, Rath und Ajakobi.

Der Künstler Gunter Demnig verlegte am Montag elf weitere Stolpersteine in Kempen. Hier ist der Kölner auf der Ellenstraße tätig.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Im Bereich der Ellenstraße in Höhe der Häuser Nummer 5 und 36 pulsiert das Leben. Dort, wo die Menschen sich zum Beispiel in der Kneipe „Treppchen“ oder in den Restaurants „Wirtshaus“ und „Ela“ kulinarischen Genüssen hingeben, geht das Leben meist leicht von der Hand. Am Montag ab 13 Uhr wurde zwischen Alltags-Trott und Baustellenlärm für einige Minuten innegehalten. Vor den Häusern Nummer 5 und 36 wurden sieben Stolpersteine für die Kempener Juden der Familien Winter und Rath verlegt. Später folgten vier weitere Steine an der Ecke Arnold-Janssen-/Heilig-Geist-Straße - für vier Mitglieder der jüdischen Familie Ajakobi. Die Winters, Raths und Ajakobis sind Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Dank des Kunstprojekts des Kölners Gunter Demnig und der Kempener Stolperstein-Initiative gibt es nun elf weitere kleine Mahnmale gegen das Vergessen.

Steigende Anzahl antisemitischer Übergriffe in Europa

„Wir müssen immer wieder an die Schicksale dieser Menschen erinnern. Und die Stolpersteine werden uns dabei helfen“, sagte ein Schüler im Rahmen der Gedenkveranstaltung auf der Ellenstraße. Damit brachte er den Sinn des Kunstprojektes auf den Punkt. Im Alltag soll man über die Namen derer „stolpern“, die von den Nazis verfolgt und zum großen Teil auch getötet worden sind. Man soll an das erinnert werden, das nie mehr passieren soll.

Dass diese Erinnerung mehr denn je vonnöten ist, erwähnte Ute Gremmel-Geuchen von der Stolperstein-Initiative in ihrer kurzen Ansprache. Sie erinnerte die Anwesenden daran, dass die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Europa stark gestiegen sei.

Kempener Schüler
gestalten das Gedenken

Im Mittelpunkt der Gedenkfeiern auf den beiden Straßen stand das Mitwirken von Jugendlichen aus Kempen. Schüler der weiterführenden Schulen gestalteten das Gedenken mit Texten und Musik. Jugendliche von Thomaeum, LvD, Martin-Schule, Real- und Gesamtschule sowie vom Berufskolleg gingen auf die Biografien der Opfer ein. So wie die von Simon Winter. Der Vieh- und Textilhändler beziehungsweise seine Nachfahren betrieben ihr Geschäft an der Ellenstraße 5. Und genau dort schlug der Nazi-Terror während des Pogroms am 10. November zu. Der 93-jährige Greis Simon Winter wurde von SA-Leuten ins Gesicht geschlagen.

Neben der unfassbaren Brutalität der Nationalsozialisten blieb bei der Gedenkfeier nicht unerwähnt, dass es auch helfende Kempener gab. Menschen wie die Familie des damaligen DRK-Leiters Wilhelm Heinen, Ellenstraße 37, die die Winters nach den Übergriffen bei sich versteckt hat. Menschen wie der damalige Kempener Bürgermeister Mertens, der Simon Winter ein zinsloses Darlehen zur Verfügung stellte, damit dieser Deutschland in Richtung Niederlande verlassen konnte.

Besonders bewegend war am Montag die Anwesenheit von Mirjam Honig. Die Enkelin von Simon Winter war aus Eindhoven angereist, um dem Gedenken an ihre Kempener Vorfahren beizuwohnen. Mirjam Honig, die im Alter von 13 Jahren ihre Heimat in Richtung Niederlande verlassen musste ist seit Jahrzehnten ein gern gesehener Gast in Kempen. So war sie auch schon häufiger in Schulen, um über Kempen zu Zeiten des Nationalsozialismus zu sprechen.

Ebenfalls vor Ort war Kempens Ex-Bürgermeister und Ehrenbürger Karl-Heinz Hermans (Jahrgang 1929), der nur wenige Meter von den Häusern Winter und Rath (heute „Treppchen“) aufgewachsen ist und dort heute mit seiner Frau Resi lebt. Während Familie Hermans eine Bäckerei betrieb, waren die Raths die Fleischerfamilie von der Ellenstraße. Ein Betrieb, in dem gerne auch mal größere Fleischstücke ausgegeben wurden als abgerechnet, wie es am Montag in der Rede eines Schülers hieß.

Wie schon bei den vorherigen Stolperstein-Verlegungen in Kempen hat auch die Veranstaltung am Montag den Sinn der Aktion im Kern getroffen. Junge Menschen haben sich intensiv mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte befasst. Und man hatte den Eindruck, dass sie verstanden haben, dass es nirgendwo auf der Welt jemals wieder so dunkel werden darf.