Streik: Düsseldorfer behalten die Nerven

Wenn Verdi zum Streik ruft, geht die halbe Stadt zu Fuß. Die andere Hälfte steht derweil im Stau.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Die letzten glücklichen Autofahrer fuhren um 8.10 Uhr über die Kreuzung Höherweg und Kettwiger Straße. Wer danach in die Innenstadt, zum Beispiel in Richtung Am Hennekamp wollte, brauchte Geduld — sehr viel Geduld. Oder solide Schleichwegkenntnisse. Denn der Demozug, der sich zu diesem Zeitpunkt an der Stadtwerkezentrale Höherweg in Bewegung setzte, nutzte konsequent die Hauptrouten. Und wartete obendrein auch noch an der Eisenbahnbrücke Werdener Straße auf eine zweiten Demozug, der vom Betriebshof Lierenfeld aus gestartet ist. Immerhin, einige Autofahrer zeigen sich solidarisch statt genervt und winken dem Demotross zu. „Die klassischen Pendlerstrecken wie nördlicher Zubringer oder Münchener Straße waren heute deutlich früher stark belastet“, sagt Polizeisprecher André Hartwich am Dienstag.

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Soll heißen: Immer wieder Stillstand. Ein Pendler berichtet, er habe für die rund zehn Kilometer lange Strecke von Kaiserswerth in die Innenstadt rekordverdächtige 90 Minuten gebraucht. Normalerweise braucht er für die Strecke rund 15 Minuten. Trotz des verstärkten Verkehrsaufkommens blieb die Unfallzahl niedrig: „Sobald es auf den Straßen voll wird, passieren weniger Unfälle“, sagt Hartwich. Viele Düsseldorfer reagieren mit Verständnis auf den Streik. „Noch bin ich entspannt“, sagt eine Frau, die seit 25 Minuten auf ihr Taxi wartet. Eine rund 50 Meter lange Warteschlange mäandert über den Bahnhofsvorplatz.

Verdi-Streik legt Düsseldorfer Innenstadt lahm
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Nur die Taxis lassen auf sich warten - alle im Einsatz. Selten rollt mehr als eine Taxe auf den Vorplatz. Fahrgemeinschaften werden gebildet, die meisten Ziele sind im Nahbereich. „Ich bin überhaupt nicht genervt, ich finde das richtig gut“, sagt Gerda Steinhorst. „Wir stecken nämlich selber gerade in Tarifverhandlungen“, sagt sie. Zur Arbeit muss sie jetzt allerdings trotzdem zu Fuß gehen.

Für die zahlreichen Auswärtigen, die sich in der Innenstadt nicht auskennen steht mit Stadtplänen bewaffnetes Service-Personal am HBF bereit, das den Reisenden den richtigen Weg weist. Das ältere Ehepaar aus Hochdahl hat diesen Dienst dringend nötig. Sie muss zum Arzt, aber wie kommt man noch mal zu Fuß zur Liesegangstraße? Andere Düsseldorfer haben am Morgen scheinbar alles requiriert, was Räder hat und rollt. Schüler fahren auf Inline-Skates in die Schule, man sieht erwachsene Männer auf Skateboards, Frauen auf Tretrollern und Anzugträger auf dem Rennrad. Nicht jeder gibt dabei eine gute Figur ab: Hauptsache ankommen heißt die Devise. Auffällig ist dagegen, dass die wenigen Busse, die noch fahren — zum Beispiel die Linien 725 oder 834 — oft nur halbvoll sind. Viele Rheinbahnkunden haben offenbar nicht damit gerechnet, dass sich überhaupt noch Busse bewegen. Bei anderen wiederum hat sich die Kunde vom Streik offensichtlich noch gar nicht herumgesprochen. Tapfer harren die letzten Wartenden an den Haltestellen aus, bis ihnen ein hilfreicher Mensch erklärt: „Heute fährt hier nichts mehr.“