Tausende Migranten haben keine Krankenversicherung

Vor allem Bulgaren und Rumänen sind nicht abgesichert. Hilfsorganisationen schlagen Alarm. Die Stadt reagiert.

Düsseldorf. Lidia Vizitiu lebt seit etwas mehr als drei Jahren in Oberbilk. Die 33 Jahre alte Rumänin fühlt sich wohl in Düsseldorf, hat sich mit ihrem Mann und den vier Kindern gut eingelebt. Doch wenn einer aus der Familie krank ist, beginnt das große Zittern.

„Unsere einzige Möglichkeit ist dann Fifty-Fifty“, sagt Vizitiu mit Blick auf das Straßenmagazin, das ein Ärztenetzwerk im Hintergrund hat, das sich kostenlos um Menschen ohne Krankenversicherung kümmert. Genau das trifft auf die Vizitius’ zu, die sich durch den Verkauf des Straßenmagazins finanzieren, eine Versicherung aber nicht leisten können.

Kein Einzelfall in Deutschland. Hunderttausende Rumänen und Bulgaren, die nach der EU-Osterweiterung 2007 mit der Hoffnung auf ein besseres Leben in den Westen kamen, leben heute ohne Krankenversicherung. Allein in Düsseldorf sollen es Tausende sein.

Eine genaue Zahl lässt sich nicht ermitteln, „aber wir haben etwa Tausend in der Verkäufer-Kartei, und die haben häufig große Familien“, sagt Julia von Lindern, Sozialarbeiterin beim East-West-Projekt von Fifty-Fifty, das sich speziell um Zuwanderer aus Osteuropa kümmert. Da das nun immer mehr werden, stößt das Ärztenetz an seine Grenzen.

Eigentlich ist eine Krankenversicherung in Deutschland Pflicht. Doch viele Armutsmigranten aus Rumänien und Bulgarien können sich keine leisten. Automatisch abgesichert sind sie ebenfalls nicht, da Menschen aus den beiden Ländern eine „eingeschränkte Freizügigkeitsberechtigung“ haben, wie es im Juristendeutsch heißt.

Soll heißen: Sie leben hier legal, haben aber keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und sind von Sozialleistungen ausgeschlossen. Also gibt es niemanden, der den Arbeitgeberanteil an die Krankenkasse zahlt. Als Einnahmequellen bleiben oft nur Betteln oder Jobs wie der Verkauf des Fifty-Fifty-Magazins.

Da die Zahl der nichtversicherten Migranten in Düsseldorf seit mehr als einem Jahr steigt, will die Stadt nun handeln. „Wir nehmen das Thema ernst“, sagt Gesundheitsamtsleiter Klaus Göbels. Im April kam das Thema in der Arbeitsgruppe „Wohnungslosigkeit und Gesundheit“ der Gesundheitskonferenz auf. Darin treffen sich alle im Gesundheitsbereich tätigen Akteure und Institutionen.

Der Arbeitskreis kümmert sich gewöhnlich um die medizinische Versorgung von Obdachlosen. Da alle Beteiligten das Thema als dringlich einstufen, gab es vorige Woche eine Sondersitzung. „Jetzt wird analysiert, um wie viele Betroffene es sich handelt und wie viel die Betreuung kosten würde“, sagt Carsten König, der Vorsitzende des Arbeitskreises.

Im September sollen die Ergebnisse in einer weiteren Sondersitzung vorgestellt werden. Dann wird entschieden, ob es eine Empfehlung an die Gesundheitskonferenz geben wird, sagt Königs, der auch dem Verein „Medizinische Hilfe für Wohnungslose“ vorsteht. Auch dieser wurde für Obdachlose ins Leben gerufen, behandelt nun aber zu 20 Prozent nichtversicherte Osteuropäer.

„Wir können aber nicht die gesamte Gruppe behandeln. Dafür fehlen uns Kapazitäten“, sagt König. Denn nur in Notfällen oder bei akuter Ansteckungsgefahr behandeln die Krankenhäuser auch ohne Versicherung — und sie bleiben dann meist auf den Kosten sitzen.