Düsseldorf Tour de France: Schönrechner gegen Schwarzmaler
Was kostet der Start der Tour de France, was bringt er? Blick auf die Zahlen anderer Städte und auf Gutachten.
Düsseldorf. Was bringt Düsseldorf ein Gastspiel der Tour de France? Sind die Kosten für die Stadt oder die indirekten Gewinne größer, wie schwer wiegen Aufmerksamkeits- und Werbewert? Objektive Antworten auf solche Fragen gibt es nicht, die Anhänger der drittgrößten Sportveranstaltung der Welt neigen da zur Schönrechnerei, Tour-Kritiker zur Schwarzmalerei. Anhaltspunkte lassen sich am ehesten beim Blick auf vorherige Ausrichterstädte gewinnen.
In Deutschland fand der letzte „Grand Départ“ in Berlin allerdings vor 28 Jahren, also noch vor dem Mauerfall statt, davor startete die Tour nur noch in Frankfurt am Main (1980) und in Köln (1965). Eher als Vergleich taugen deshalb die letzten Abstecher nach Deutschland: 2002 endete die zweite Etappe in Saarbrücken. Eine Million Zuschauer standen an der Strecke, die Saarbrücker Wirtschaftsförderung bilanzierte Einnahmen von 12 Millionen Euro für die Wirtschaft, bei angeblich 400 000 Euro an Kosten für die Stadt. Der damalige OB Hajo Hoffmann sprach von „der größten Party, die unsere Stadt je gesehen hat“.
2005 war die Tour dann zum letzten Mal in Deutschland. Karlsruhe war Zielort der siebten Etappe, die achte startete in Pforzheim — mit Jan Ullrich und Lance Armstrong. Beide Städte hatten je 500 000 Euro in den Etat gestellt. An der Strecke standen jeweils etwa 500 000 Zuschauer, laut Karlsruher Wirtschaftsspiegel waren sämtliche Hotels ausgebucht.
Der Tour-Tross umfasste damals allein 2300 akkreditierte Journalisten plus 1200 Fotografen und Kameraleute. „Das war für uns Stadtmarketing pur“, jubelte Karlsruhes OB Heinz Fenrich. Doch schon vier Wochen später kam auch heraus, dass die Karlsruher Messe- und Kongress GmbH auf einem Defizit von 1,2 Millionen Euro sitzen blieb, unter anderem wegen der Kosten für Konzerte von Mariah Carey und Seal im Rahmenprogramm.
Auch in Düsseldorf versucht die Stadtspitze um OB Geisel die Kosten für das Start-Spektakel möglichst kleinzurechnen und die Umwegrentabilität umso höher. 57 Millionen Euro sollen eine Million Besucher vor allem über Hotellerie und Gastronomie in Düsseldorf lassen. Wirklich nachvollziehbar macht das aber auch ein Deloitte-Gutachten nicht: Es kann schlechter oder besser kommen, Gewissheit hat man erst hinterher.
Propaganda spielt schon jetzt bei den Düsseldorfer Tour-Anhängern eine Rolle. So begründeten Geisel und Co. die Absage Londons für den Tour-Auftakt 2017 damit, die Weltstadt an der Themse habe all ihre Radfahr-Ziele bereits durch den Grand Départ 2007 übererfüllt. Tatsächlich sagte Boris Johnson, Londons Mayor, der BBC vor fünf Wochen etwas Anderes: „Ich werde kein Geld verschwenden für ein Rad-Event, das uns nur kurzfristig etwas bringt. Ich meine, dass 35 Millionen Pfund für ein einmaliges Ereignis es nicht wert sind für London.“
In Düsseldorf rechnet man freilich mit deutlich geringeren Kosten. Kalkuliert werden elf Millionen Euro für Lizenzgebühr plus Infrastrukturmaßnahmen. Demgegenüber soll es 4,8 Millionen an Einnahmen geben — bliebe ein Zuschussbedarf von etwa 6,2 Millionen Euro.
Setzt man diese Summe in Relation zu den Einschaltzahlen (bis zu 25 Millionen Zuschauer weltweit) ergibt sich eine Quote von 1:4 (ein Euro Einsatz für vier Zuschauer). Beim Eurovision Song Contest lag sie bei 1:10 (ein Euro für zehn Zuschauer). Allerdings dürfte die Tour auch mehr schöne Bilder von Düsseldorf produzieren: Beim ECS war für das Publikum an den Bildschirmen wenig von der Stadt zu sehen — radelnde Profis vor Rheinpanorama machen sich da sicherlich besser.
Ob die Tour kommt, entscheidet am Donnerstag der Stadtrat. Erwartet wird, dass es eine geheime Abstimmung gibt. Ausgang offen.