Verwahrlosung: Junge (3) kann nicht einmal sprechen
Weil sie ihre zwei Kinder völlig vernachlässigte, wurde Mutter zu Bewährungsstrafe verurteilt.
Düsseldorf. Die blasse junge Frau mit den rot getönten Haaren auf der Anklagebank ist kaum zu sehen. Während der Verhandlung hält sie sich den Kragen ihres Parkas vors Gesicht und spricht so leise, dass man oft nur Wortfetzen verstehen kann. „Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte“, erklärt die 25-jährige Stephanie B. (Namen der Familie geändert) dann aber deutlich, wie es geschehen konnte, dass sie ihre beiden Kinder Tristan (3) und Lorena (2) über Wochen völlig verwahrlosen ließ. Dafür musste sich die Mutter Dienstag vor dem Amtsgericht verantworten.
Am 11. Februar vergangenen Jahres alarmierte eine Nachbarin mitten in der Nacht die Polizei. Mehr als eine Stunde hatten die Kinder in der Rather Wohnung bitterlich geweint. Den Beamten bot sich ein schreckliches Bild. Tristan und Lorena waren nur mit alten Windeln bekleidet, in den Bettchen, von denen eins auch noch zerbrochen war, gab es nur nackte Matratzen, Bettwäsche oder Kissen hatten die Kleinen nicht. Außerdem waren die Geschwister völlig verdreckt, überall fanden sich Spuren von Kot.
Damit die Kinder ihr Zimmer nicht verlassen konnten, war ein Brett vor der Eingangstür angebracht. Besonders schockiert war man beim sozialpädagogischen Dienst des Gesundheitsamtes: Obwohl Tristan damals fast drei Jahre alt war, konnte er sich nur durch Schrei- und Brummlaute verständlich machen.
In der ebenfalls völlig vermüllten und verwahrlosten Wohnung hatten die Fahnder nur den Lebensgefährten (22) der zweifachen Mutter und einen Schäferhund angetroffen. Stephanie B. feierte derweil auf einer Party.
Die Angeklagte war schon als Jugendliche zur Behandlung im Landeskrankenhaus Grafenberg, weil sie sich selbst verletzte. Mit 16 Jahren lebte sie in einer Bauwagen-Kolonie an der Bremer Straße, bis die geräumt wurde.
Als Stephanie B. zum ersten Mal schwanger wurde, suchte sie von sich aus Hilfe bei Diakonie und Jugendamt. „Ích habe das Programm dann aber abgebrochen“, bedauert die junge Frau. Dann kam das zweite Kind, der Vater verließ sie wenig später.
Im August 2011 lernte sie ihren jetzigen Freund kennen, der bald bei ihr einzog: „Zuerst waren wir viel draußen in dem Garten, den ich angepachtet hatte. Aber als es kalt wurde, verlor er das Interesse an den Kindern.“ Weihnachten, als die Eltern zu Besuch kamen, war die Wohnung angeblich noch in Ordnung, doch danach geriet das Leben der Familie völlig aus den Fugen. Stephanie B.: „Ich war mit der Situation total überfordert.“
Inzwischen leben Tristan und Lorena bei Pflegefamilien. Alle zwei Wochen darf Stephanie B. die beiden für eine Stunde besuchen. Inzwischen nimmt sie an einer Weiterbildung der Arge teil und wünscht sich nichts mehr, als ihre Kinder irgendwann wiederzubekommen: „Vielleicht in vier oder fünf Jahren, sagt das Jugendamt.“
Verurteilt wurde die Mutter Dienstag zu einer Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Außerdem muss sie 250 Arbeitsstunden leisten. Dabei wurde berücksichtigt, dass die schlechte Sprachentwicklung von Tristan zum Teil auch Folge einer Erbkrankheit sein könnte. Der 22-jährige Lebensgefährte erschien nicht zum Prozess, weil er angeblich krank war. Er wurde in Abwesenheit zu der gleichen Strafe verurteilt.