Victoria-Erweiterung: Ohrfeigen für die Stadtspitze
Gericht erklärt Bürgerbegehren in letzter Instanz für zulässig.
<strong>Düsseldorf. Jubel bei der Initiative "Rettet den Golzheimer Friedhof", lange Gesichter bei der Stadtspitze: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat gestern das Bürgerbegehren gegen den Verkauf des städtischen Grundstückes (Parkplatz) an der Fischerstraße an die Victoria-Versicherung für zulässig erklärt. Zudem hat sie dem Stadtrat per einstweiliger Anordnung aufgetragen, diese Zulässigkeit unverzüglich festzustellen. Zwei Mal hatte die Stadtspitze in Person von Rechtsdezernent Werner Leonhardt dem Stadtrat dargelegt, warum das Bürgerbegehren angeblich nicht zulässig sei. Mit der Mehrheit von CDU und FDP war der Rat diesem Votum gefolgt.
Zu Unrecht, wie jetzt feststeht. Die Richter verpassen der Stadtspitze eine Reihe schallender Ohrfeigen. Ihre gesamte Argumentation wird auseinander genommen. Das Begehren wende sich der Sache nach "und nicht nur vorgeschoben" gegen die geplante Freigabe der Parkplatzfläche und nicht gegen die Bauleitplanung, gegen die Bürgerbegehren in der Tat unzulässig sind. Es treffe auch nicht zu, dass bei einem erfolgreichen Bürgerentscheid die Bauleitplanung doch noch berührt werde, weil der Bebauungsplan nichtig wäre, denn: "Die Bindungswirkung eines Bürgerentscheids beträgt nur zwei Jahre."
Für den Nacht-und-Nebel-Verkauf des Grundstückes an die Victoria per Dringlichkeitsbeschluss am 15. Oktober von OB Erwin und FDP-Fraktionschefin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sei kein sachlicher Grund ersichtlich, befinden die Richter. Er habe offenkundig nur dazu gedient, einem Bürgerentscheid zuvorzukommen: Der wahre Sinn des Eilverkaufs offenbare sich im "augenfälligen zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkraftreten der gesetzlichen Stärkung von Bürgerbegehren zwei Tage später", führten die Richter aus.
Vor allem aber ist der Verkauf keineswegs komplett abgewickelt: Das Grundstück steht laut OVG-Beschluss vielmehr weiterhin im Besitz der Stadt. Denn der Kaufvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Bebauungsplan (für die Victoria-Erweitzerung) bis Ende September 2008 unverändert in Kraft tritt.
Victoria-Pressesprecher Stephan Kronenberg geht indes davon aus, dass das Grundstück bereits der Victoria gehört. Zu Sonderklauseln im Vertrag meint er: "Es ist normal, dass wir zurücktreten können, wenn wir nicht bauen können wie vereinbart." Jetzt prüfe man, welche Rechtsmittel noch eingelegt werden können. Der Neubau sei für 900 Mitarbeiter und auch das Wachstum des Unternehmens gedacht. "Geht das dort nicht, suchen wir woanders Flächen - womöglich in einer anderen Stadt." Auch die Millionenstiftung für den Golzheimer Friedhof werde nicht verwirklicht.
Bei der Stadt gingen alle auf Tauchstation: "Natürlich bin ich nicht erfreut, aber wir müssen erst mit unseren Anwälten sprechen", sagte Rechtsdezernent Werner Leonhardt. "Kein Kommentar", kam es von Planungsdezernent Gregor Bonin.