Erinnerungskultur Die dunkle Geschichte des Alten Schlachthofs in Düsseldorf
Düsseldorf · 6000 Juden wurden vom heutigen Gedenkort aus deportiert. Jetzt wurden die Inhalte der dortigen Ausstellung in Buchform gebracht.
Es sei eine Daueraufgabe des Erinnerungsortes, sagt Historiker und Leiter der Gedenkstätte Joachim Schröder, die Geschichten der Menschen, die ab 1942 an diesem Ort deportiert und zu großen Teilen in den Tod geschickt wurden, aufzuarbeiten und zu erforschen. 6000 Juden aus dem gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf wurden auf dem Gelände des damaligen Schlachthofs gesammelt und in die Ghettos und Lager in den besetzten Gebieten in Osteuropa gebracht. Nur etwa 300 überlebten Schätzungen zufolge. Die Namen sind fast alle dokumentiert, die Geschichten der einzelnen Menschen aber noch nicht vollständig erforscht. Im neuen Katalog, der nun im Droste-Verlag erschienen ist, sind 59 Biographien abgedruckt – doch die erzählen nicht nur die Geschichten der Opfer.
„Es geht auch darum zu zeigen, welche Wege die Menschen zu dieser Zeit gehen konnten“, sagt Schröder. Da gibt es die, die in den Untergrund verschwunden oder ins Ausland geflüchtet sind, die, die ihnen dabei geholfen haben und aber auch die, die das Grauen dieser Zeit organisiert und möglich gemacht haben. „Auch das war nicht einfach nur die Gestapo – sondern auch Menschen, die für sich eine Entscheidung getroffen haben“, sagt Schröder. Die meisten Biographien erzählen dennoch von Opfern und Verfolgten. „Wie die Ausstellung ist auch der Katalog ein kleines Denkmal für diese Menschen“, sagt der Historiker. Die Erinnerung an sie solle so aufrecht erhalten werden.
Auch bekanntere Düsseldorfer tauchen im Katalog auf
Der Abschnitt „Gesichter und Geschichten“ nimmt etwa die Hälfte des Katalogs ein. Dabei stößt man auch immer wieder auf bekannte Namen. Josef Neuberger etwa, der nach der Pogromnacht 1938 nach Palästina emigrierte, Mitte der 50er Jahre zurück nach Düsseldorf kam, sich als Rechtsanwalt für die Überlebenden einsetzte und später politisch Karriere machte. Oder Ernst Krombach, der es schaffte, Briefe aus dem Ghetto Izbica nach draußen zu schmuggeln, in denen er die Zustände im Ghetto schilderte. Aber auch die Familie Pankok, die half, Verfolgte zu verstecken.
Neben den Biographien erzählt der Katalog auch die Geschichte des Schlachthofs und der Stadt Düsseldorf zu dieser Zeit. Der Katalog erscheint auf Deutsch und Englisch. Das war Schröder aus mehreren Gründen wichtig. Einerseits verstehe man sich an der Hochschule als internationale Einrichtung, andererseits wisse man auch, dass viele der Hinterbliebenen, gerade derer, die ins Ausland geflüchtet sind, kein Deutsch verstehen. Auch ihnen sollte dieses kleine Denkmal an ihre Familie zugänglich gemacht werden.
Besonders an der Übersetzung: Wie auch die Ausstellung wurden die Texte im Katalog von Marion Koebner übersetzt, die die Enkelin des damals letzten Düsseldorfer Rabbiners Dr. Siegfried Klein ist. Ihre Mutter wurde als Kind mit ihrer Schwester durch einen Kindertransport nach England vor der Deportation gerettet. „Da schließt sich gewissermaßen der Kreis“, sagt Joachim Schröder.
In den drei Jahren, in denen es den Erinnerungsort nun gibt, sei das Interesse stetig gewachsen. Die Nachfrage an Führungen durch die Ausstellung werde immer größer, da es aber ein offener Ausstellungsraum ist, könne man die Besucher, die in einer Unipause oder auch bewusst als Ausflug auf eigene Faust hierhin kommen, nicht zählen. Doch auch bei Gelegenheiten wie dem Tag des offenen Denkmals sei das wachsende Interesse spürbar.
Den neuen Katalog gibt es ab sofort direkt beim Droste-Verlag oder aber zur Bestellung in den Buchhandlungen. Er kostet 20 Euro. ISBN 978-3-7700-6034-3.