Glosse Warum laufen auf der Kirmes eigentlich alle linksrum?

Gegen den Uhrzeigersinn — mit dem Strom

Glosse: Warum laufen auf der Kirmes eigentlich alle linksrum?
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Manchmal braucht es nur eine unbedarfte Frage, um eine Welt ins Wanken zu bringen. So wie gestern in der Redaktionskonferenz, als ein Kollege fragt: „Warum laufen die auf der Kirmes eigentlich alle gegen den Uhrzeigersinn über den Kirmesplatz?“ Und der 33 Jahre alte Glaube, ein unangepasstes Leben zu führen, durchaus auch mal gegen den Strom zu schwimmen, ist dahin. Ja, es ist wahr: 80 bis 90 Prozent der Rummelbesucher laufen linksrum. Und ich mit. Schön im Strom. Immer schon.

Warum, kann ich so wenig beantworten wie ein 85-jähriger Kirmesbesucher, der mit einem Schwung Menschen gestern am Luegplatz aus der Bahn und natürlich gegen den Uhrzeigersinn über den Festplatz strömt. „Das stimmt! Das war schon immer so“, sagen er und Gattin (77). Als Test aufs Exempel versuche ich mal kurz ein paar Schritte in die Gegenrichtung — rechtsdrehend. Fühlt sich falsch an. Kenne ich nicht, mag ich nicht.

Linksrum — wenn man dazu mal ein bisschen recherchiert, kommt es einem nicht mehr zufällig vor. Studien gibt es zu dem Thema, dass bei Supermärkten der Eingang fast immer rechts ist und es dann linksrum zur Kasse geht. Im Internetforum „fragenohneantwort.de“ wird angesichts linksrum laufender Leichtathleten und linksrum drehender Erde sogar philosophiert, ob es einen natürlichen Linksdrall gäbe. So physikalisch. Das glaubt Verkehrspsychologe Kai Lenßen zwar nicht. Wohl aber, dass die Masse der Kirmesbesucher die Bewegung gegen den Uhrzeigersinn über die Jahre gelernt hat. Und man läuft eben mit der Masse. „Da sind wir ganz brav“, sagt Lenßen. „Das organisiert ja unser Zusammenleben."

Auch Kirmesarchitekt Thomas König ist sicher: „Das ist der Herdentrieb — in der Tat.“ Und wenn es gerummelt voll ist, geht es dem Trieb nach und mit dem Strom ja auch viel schneller. Schwarmintelligenz und -dämlichkeit liegen wohl nicht weit auseinander. Trotzdem tröstet es, wenn König zum Geständnis meiner Rechtsrum-Legasthenie sagt: „Keine Sorge, Sie sind damit nicht allein.“ Das stimmt. Allein gibt es nicht im Schwarm. Und wenn ich doch mal gegen den Strom will, setze ich mich einfach ins Riesenrad. Das dreht sich nämlich total rebellisch im Uhrzeigersinn.