Düsseldorf Haftstrafen für Bande nach brutalem Überfall auf Juwelier

Einer der aufwendigsten Prozesse am Landgericht Kiel geht zu Ende: Das Gericht hat jetzt das Urteil gegen elf Angeklagte gesprochen. Das Verfahren gegen einen weiteren Angeklagten wurde abgetrennt und läuft voraussichtlich noch bis Ende August.

Einer der Angeklagten im Verhandlungssaal in Schleswig. Die Männer sollen in kleinen Gruppen und wechselnder Zusammensetzung 2014 am helllichten Tag unter anderem brutal ein Pfandleihhaus in Kiel und einen Juwelier in Düsseldorf überfallen haben.

Foto: Carsten Rehder

Schleswig/Düsseldorf. Es ist eine Geschichte wie aus einem Krimi: Ein Mann erhält aus einem Gefängnis in Litauen heraus einen Anruf und das Angebot, Geld zu bekommen. Der damals 21-Jährige nimmt das Angebot an. Dafür soll er sich mit einem anderen Mann treffen. Dieser sagt ihm, für das Geld müsse er etwas tun, nach Deutschland fahren. Die Fahrt habe etwas mit Schmuck zu tun, bekommt der Angerufene, der jetzt in Deutschland vor Gericht steht, bei einem Treffen mit einer Kontaktperson zu hören.

So schildert der Vorsitzende Richter der 7. Großen Strafkammer am Landgericht Kiel, Carsten Tepp, am Dienstag die Vorgeschichte zu mehreren begangenen und geplanten Überfällen auf Juweliere und Pfandleihhäuser unter anderem in Kiel und Düsseldorf im Jahr 2014. Wegen dieser Taten wurden der damals 21-Jährige und sieben weitere Männer aus Litauen nun zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und zehn Monaten sowie zehn Jahren wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung oder wegen der Verabredung zu einem schweren Raub verurteilt. Zwei weitere Männer wurden freigesprochen, einer muss wegen Diebstahls für ein Jahr und neun Monate ins Gefängnis. Gegen die Urteile kann Revision eingelegt werden.

Die Männer waren angeklagt, in kleinen Gruppen und wechselnder Zusammensetzung 2014 am helllichten Tag unter anderem ein Pfandleihhaus in Kiel und einen Juwelier in Düsseldorf brutal überfallen und Schmuck und Bargeld im Wert von mehreren Hunderttausend Euro erbeutet zu haben. Der Düsseldorfer Ladenbesitzer wurde bei dem Überfall durch Tritte gegen den Kopf lebensgefährlich verletzt und nur durch Zufall gerettet. Er leidet noch immer an den Folgen des Überfalls, wie Tepp sagte. Auch der Angestellte des Kieler Pfandleihauses hat sich von dem Überfall noch nicht vollständig erholt. Ein weiterer Überfall auf einen Münchner Juwelier konnte kurz vorher verhindert werden.

Staatsanwalt Christopher Sievers zeigte sich zufrieden, dass es achteinhalb Monate nach Prozessbeginn ein Urteil gibt - auch wenn die Kammer teils deutlich unter den von ihm geforderten Strafen blieb. Freispruch etwa hatte er für keinen der Angeklagten gefordert. Der Prozess und die vorhergegangenen Ermittlungen seien eine große Herausforderung für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht gewesen, sagte Sievers. Schwierig war unter anderem nachzuweisen, wie wer an welcher Tat beteiligt gewesen ist. Denn in den überfallenen Geschäften waren nur wenige Angeklagte. Andere waren zwar vor Ort, aber außerhalb des Geschäfts. Wieder andere befanden sich in anderen Städten, hielten dort die Fäden in der Hand.

Für die Tat in Düsseldorf hat das Gericht einen Kronzeugen - den Mann, der den Anruf aus dem litauischen Gefängnis erhalten hat. Er war nur an diesem Überfall beteiligt. Die Kammer halte die Aussage weitgehend für glaubwürdig, sagt Tepp in seiner Urteilsbegründung, für deren Verlesung er sich mehrere Stunden Zeit nahm. Für die Rekonstruktion des Überfalls in Kiel sowie eines versuchten Raubes in München konnte die Kammer sich nicht auf so umfassende Geständnisse stützen. Daten aus der Überwachung von Handys und von Navigationsgeräten, Zeugenaussagen, Bilder von Überwachungskameras, Hotel- und Fernbusbuchungen - aus diesen Puzzlestücken setzten sich die drei Berufs- und zwei ehrenamtlichen Richter ein Bild zusammen.

Mit dem Urteil endet nach 51 Verhandlungstagen einer der aufwendigsten Prozesse in der Geschichte des Landgerichts. In der Regel zweimal pro Woche fuhren Richter, Staatsanwälte, Schreibkräfte und Wachtmeister des Landgerichts Kiel seit Anfang November 2015 nach Schleswig. Aus Platzgründen wurde hier gegen die Litauer verhandelt. Denn zu den genannten Personen kamen mehr als zwei Dutzend Strafverteidiger, die zum Teil aus Berlin, Osnabrück oder Mainz anreisten, Gutachter und etliche Dolmetscher. Auch wurden mehr als 80 Zeugen vernommen, die teilweise aus Litauen oder Italien anreisten.

Für die Angeklagten wurden im Innenhof des Schleswiger Gebäudekomplexes extra Container aufgestellt, damit sie während der Prozesspausen nicht miteinander sprechen. Die jetzt abgeschlossene Verhandlung war bereits der zweite Anlauf. Der erste, der Anfang Oktober 2015 gestartet wurde, war nach zwei Sitzungstagen schon vorbei. Der Grund: Eine erfolgreiche Besetzungsrüge gegen das Gericht.

Und für einen der ehemals zwölf Angeklagten, der an der Düsseldorfer Tat beteiligt gewesen sein soll, geht der Prozess noch weiter. Sein Verfahren wurde abgetrennt, nachdem er sich über seinen Anwalt über Schikanen im Gefängnis beklagt hatte. Dies könnte sich strafmildernd auswirken. Ein Urteil wird in diesem Fall voraussichtlich nicht vor Ende August erwartet.