Aufklärung Was Flüchtlinge über Sex wissen müssen

In Aufklärungskursen von Pro Familia lernen junge Migranten, wie sich Männer und Frauen in Deutschland respektvoll begegnen.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. In den Kursen geht es um Rollenbilder, sexuelle Selbstbestimmung, Körperwissen und auch um Werte und Rechte in Deutschland: Die Pro-Familia-Beratungsstelle bietet sexualpädagogische Kurse für junge Flüchtlinge an. Die Nachfrage — hauptsächlich aus Wohneinrichtungen, in denen die meist männlichen Jugendlichen untergebracht sind — ist groß.

Wie spricht man Mädchen an? Wie geht Sex und wofür sind Kondome? „Viele Fragen können die Mitarbeiter der Einrichtungen nicht beantworten und haben daher um Hilfe gebeten“, erläutert die Leiterin der Beratungsstelle, Margarete Darscheid. „Es geht darum, dass Flüchtlinge Handlungskompetenz erwerben und dass Missverständnisse vermieden werden.“ Gerade seit den Vorfällen in der Silvesternacht herrsche große Verunsicherung.

„Der Umgang mit Sexualität ist für Jugendliche nicht einfach, noch schwieriger ist es, sich in einem fremden Land mit einer völlig anderen Kultur zurechtzufinden“, erklärt der Sexualpädagoge Manfred Nußbaum. Gemeinsam mit Darscheid und der Sexualwissenschaftlerin Marieke Reimer kümmert sich das Trio um sexualpädagogische Präventionsarbeit. Seit Beginn des Jahres wurden bislang in sieben Gruppen (eine davon mit weiblichen Flüchtlingen) jeweils sieben bis acht Jugendliche betreut, die Inhalte haben Dolmetscher in Farsi, Arabisch und Albanisch übersetzt. „Da hat sich schnell gezeigt, dass die ein- bis dreimaligen Veranstaltungen für den Informationsbedarf der Flüchtlinge bei Weitem nicht ausreichen. Wir haben jetzt ein umfangreicheres Konzept erstellt, das im Herbst startet“, berichtet Darscheid.

95 Prozent der unbegleiteten Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren sind männlich, die meisten kommen aus Afghanistan, Syrien und Albanien: „Sie stammen hauptsächlich aus patriarchalen Kulturen, in denen die Familie entscheidet und der Mann das Sagen hat, während in unserer Gesellschaft die individuelle Selbstbestimmung selbstverständlich und geradezu gefordert ist“, betont Darscheid.

Folglich sei der Bedarf an Wissen, Information und Austausch über die Themen Liebe, Partnerschaft, Körper und Sexualität riesig. „Der Großteil hat wenig Ahnung, wie man sich dem anderen Geschlecht hierzulande nähert“, sagt Reimer. Nachhilfestunden über die Rolle der Frau und darüber, was hier geht und was nicht, sind daher dringend notwendig.

Das Thema Sexualität sei in den meisten muslimischen Familien tabu, umso gebannter verfolgen die jungen Einwanderer in den Kursen, wie beispielsweise das Flirten funktioniert: „Anlächeln, abwarten. Lächelt sie zurück? Wir erklären ihnen, dass hierzulande das Kennenlernen zwischen Mann und Frau von vielen, kleinen Botschaften begleitet wird“, berichtet Darscheid.

Eine Einladung auf ein Eis — solche Gesten seien in ihren Herkunftsländern nur mit Verwandten möglich. Manche Machos müssen auch erst lernen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind: „Sie müssen unsere Gesetze und Regeln befolgen und wir hoffen, dass unsere Arbeit auch fruchtet.“ Ein weiteres Thema sei die Freizügigkeit der Kleidung vieler Frauen: „Die Jungen müssen erst lernen, dass damit kein sexuelles Interesse unterlegt ist und es folglich auch keinen Grund gibt, Frauen anzufassen.“