Zwischen Lernstress und Ferien
Bevor es für eine Woche nach Hawaii geht, müssen erst einmal die "Midterms" durchgestanden werden.
San Diego. Zur "Halbzeit" des Semesters gab es die ersten Klausuren. Die "Midterms" sind meistens Multiple-Choice-Tests mit bis zu 100 Fragen oder Essay-Aufgaben und behandeln alles, was man bis zur Hälfte des Semesters in seinen Kursen besprochen hat. Das hieß für mich erstmal noch mehr lesen und sehr viele Stunden in der Bibliothek zu verbringen. Leider fällt das nicht ganz so leicht, wenn draußen die Sonne scheint und man sich lieber an den Strand legen würde oder ein Eis essen gehen möchte. Die Midterms finden alle in die letzten zwei bis drei Wochen vor den Frühjahrsferien statt. Von den vier Kursen, die ich habe, gab es in dreien Midterms. Die wöchentlichen Lese-Tests und andere Quizze fanden aber trotzdem statt. Drei Wochen jeden Tag die Nase in die Bücher stecken und sich möglichst viel merken, war ziemlich anstrengend. Das Tests bevorstehen sah man schon, wenn man auf dem Campus parken wollte. Das Parkhaus war viel voller als sonst und selbst einen Platz in der Bibliothek zu finden, war manchmal wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Trotzdem ist die Lernatmosphäre hier angenehmer als in meiner Uni in Deutschland. Es gibt viel mehr Lernplätze in der Bibliothek und sogar "Schlafsessel". Wie oft ich an meinen Unis in Deutschland manchmal von einer Schlafgelegenheit geträumt habe, kann ich gar nicht mehr zählen, aber hier wurde mir der Wunsch erfüllt. Wenn man die Bibliothek betritt, stehen rund um die Treppe unter einer Glaskuppel sehr viele Sessel mit Tischen und sogar eine Ablage zum Beine lang machen. Kommt man hier mal zwischen zwei Seminaren vorbei, sieht man immer wieder viele Studenten, die sich richtig in die Sessel gelegt haben und schlafen. Wirklich eine tolle Sache, die ich in den ersten Wochen auch direkt ausgenutzt habe. So ein Nickerchen in der Mittagspause ist wirklich nett. Die Tests gehen los: Wieso sind die anderen Studenten so schnell fertig? Nach vielen Lern- und Lesestunden stand dann das erste Midterm an. In meinem Journalismus-Seminar mussten wir dazu Multiple-Choice Fragen beantworten. Auf einem kleinen Bogen, den man sich hier überall in den Uni-Supermärkten und dem Buchladen kaufen kann, muss die richtige Antwort mit Bleistift angekreuzt werden. Oder vielmehr ausgemalt. Ziemlich ungewohnt, wenn man sonst immer gefordert ist, die Antworten selbst zu schreiben. Da kann es schon mal passieren, dass man in der Zeile verrutscht. Für die Dozenten erleichtert dieses System aber die Korrektur. Sie brauchen die Antwortbögen hinterher nur in den Scanner eines Computers zu schieben und der druckt den Bogen dann wieder aus, inklusive der Markierungen der falschen Antworten und Punktzahl. Mein zweites Midterm im Politikseminar über Wahlen und Kampagnen war dagegen etwas anspruchsvoller. Wir sollten einen Essay schreiben, in dem wir viele der behandelten Modelle und Begriffe erklären sollten - natürlich auch in ein vorgefertigtes Heft, dass man kaufen muss. 90 Minuten Zeit und nach einer halben Stunde schmerzt bereits die Hand. Ich kann nicht mehr schreiben. Die gechätzten 500 Definitionen, die ich auf Karteikarten geschrieben habe, machen sich bemerkbar. Die ersten Studenten geben ihre Klausur schon ab. Ich bin verwirrt: nach so kurzer Zeit? Auch meiner Kommilitonin Rebecca fällt das in ihren Seminaren auf. Viele amerikanische Studenten scheinen wahllos anzukreuzen, denn sie geben ihre Antworten auf 50 Fragen nach einer Viertelstunde ab. Ich brauche leider etwas länger. Dass sich das gelohnt hat, zeigt sich in meinem Politikseminar über das US-Regierungssystem. Ich habe 90 von 100 Punkten und auf meinem Testbogen klebt ein Sticker mit der Aufschrift "Impressive" (Beeindruckend). So vergingen die letzten drei Wochen sehr schnell und jeder Tag begann und endete mit Lernstoff. Ich bin wirklich froh, dass diese Tests jetzt vorüber sind und die Frühjahrsferien anfangen. Die meisten amerikanischen Studenten fahren über "Spring Break", wie es hier genannt wird, nach Mexiko oder Florida, um sehr viel zu feiern. Rebecca und ich haben etwas anderes vor. Zur Belohnung für die Midterms haben wir einen Flug nach Hawaii gebucht. Morgen früh geht’s auch schon los. Eine Woche werden wir auf Oahu, eine der größeren Inseln von Hawaii, verbringen und alle Bücher und Karteikarten mit Definitionen zu Hause lassen. In diesem Sinne: Aloha!