Zu Unrecht inhaftiert Wie lassen sich Todesfälle in Gefängnissen verhindern?
Düsseldorf · Die von NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) eingesetzte Expertenkommission gibt 53 Empfehlungen.
Der Tod eines zu Unrecht inhaftierten Syrers, der im vergangenen Jahr an den Folgen eines Brandes in seiner Gefängniszelle in Kleve verstorben war, führte nicht nur zu einem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags. Auch eine von Justizminister Peter Biesenbach (CDU) eingesetzte Expertenkommission hat sich Gedanken gemacht, wie der Strafvollzug in NRW verbessert werden kann, um solche Ereignisse möglichst zu verhindern. Nach einem halben Jahr Arbeit, in dem sie 14 Justizvollzugsanstalten (JVA) in NRW besucht und dort mit Verantwortlichen, Personal und Häftlingen gesprochen hatten, legten die sieben Experten ihren 105 Seiten starken Bericht vor. Kommissionschef Heiko Manteuffel, Oberstaatsanwalt a.D., sieht den Justizvollzug zwar „insgesamt doch sehr gut aufgestellt“. Dennoch geben die Fachleute dem Justizminister Hausaufgaben in Form von 53 Empfehlungen auf.
Brandschutz
Roland Goertz, Inhaber eines Lehrstuhls für abwehrenden Brandschutz an der Uni Wuppertal, betont, dass man mit Blick auf den Brandschutz keine konkreten Gefahren festgestellt habe. Dennoch hätten drei Maßnahmen hohe Priorität. So empfiehlt er den Austausch der Matratzen in den Zellen. Bei mehreren Bränden in den JVA hätten leicht entflammbare Matratzen eine gewisse Rolle gespielt. Auch solle pro Haftanstalt ein Brandschutzbeauftragter bestellt werden. Schließlich sollte es für die Vollzugsbeamten Brandschutzhauben geben, die ihnen ermöglichten, vom Feuer bedrohten Häftlingen zu Hilfe zu kommen.
Eine generelle Ausstattung der Haftanstalten mit Brandmeldeanlagen empfiehlt die Kommission aber nicht. Solche Systeme könnten von den Gefangenen manipuliert werden, was dann in der Haftanstalt zu „maximalem Durcheinander“ führen könne.
Notrufe
In dem Fall des zu Tode gekommenen Syrers ist nicht klar, wie weit ein eventuell vom Gefangenen abgesetzter Notruf unbeantwortet blieb. In NRW-Gefängnissen haben die Ruf- und Lichtrufanlagen die Funktion einer Kommunikationsanlage. Über die Systeme setzen die Gefangenen alle Arten von Wünschen ab, deren Bearbeitung, wenn sich die Rufe häufen und der Bedienstete von Tür zu Tür gehen muss, schon mal eine Viertelstunde und mehr dauern kann. Zu lange für einen Gefahrenfall. Daher schlagen die Experten einen separaten Notrufknopf vor. Doch sie fügen einschränkend hinzu, man solle das erst einmal bei Gefängnisneubauten oder einer grundsätzlichen Renovierung der Anstalt umsetzen. Hintergrund: Ein solches System kann für eine einzige Anstalt 500 000 Euro kosten. Da sei es unrealistisch zu erwarten, dass alle Haftanstalten umgehend auf diese Weise umgerüstet würden. Auch müsse man an die Missbrauchsmöglichkeit eines solchen Systems durch Gefangene denken.
Psychische Probleme
Am eindringlichsten erscheinen die Forderungen der Expertenkommission mit Blick auf fehlende Behandlungsmöglichkeiten psychisch erkrankter Gefangener. Zwar betont Michael Skirl, der ehemalige Leiter der JVA Werl und stellvertretende Leiter des Justizvollzugskrankenhauses Fröndenberg, dass die Zahl der Suizide in NRW-Haftanstalten sinke. Waren es 1980 bis 2000 im Schnitt noch 22,3 pro Jahr, ging die Zahl in den Jahren 2009 bis 2018 auf 12,9 zurück. In diesem Jahr seien es bislang vier Fälle. Die Situation im Umgang mit behandlungsbedürftigen psychisch gestörten oder kranken Gefangenen sei aber „bedrückend“. Die Kapazität von etwa 30 psychiatrischen Behandlungsplätzen für dringend stationär zu betreuende Gefangene sei völlig unzureichend. Akut Behandlungsbedürftige müssten oft Monate warten.
Viele der Vorschläge kosten durchaus große Summen Geld. Und so sagte denn auch der Kommissionsvorsitzende Manteuffel, „dass die Gesellschaft nur das Maß an Sicherheit verlangen kann, das sie auch bereit ist zu finanzieren“.