20.000 erwartet Kürzungen im Sozialbereich in NRW: Darum geht es bei der großen Demo in Düsseldorf heute

Düsseldorf · Die NRW-Landesregierung will im kommenden Jahr bei einigen Sozialausgaben den Rotstift ansetzen. Die betroffenen Verbände sind entsetzt – und rufen zur großen Demo. Darum geht es.

Menschen versammeln sich zu einer Kundgebung von Wohlfahrtverbänden gegen geplante Kürzungen der Landesregierung auf den Oberkasseler Rheinwiesen. Hier werden 20.000 Menschen erwartet.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Mit einer großen Kundgebung wollen Wohlfahrtsverbände (12.05 Uhr) in Düsseldorf gegen Sparpläne der Landesregierung im Sozialbereich demonstrieren. Die Veranstalter rechnen mit mehr als 20.000 Menschen. Weil auch viele Mitarbeiter von Kitas und Beratungsstellen an der Kundgebung teilnehmen, laufen einige Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen den ganzen Tag über nur im Notbetrieb.

„Wir fordern eine Rücknahme der Kürzungspläne und endlich auch einen Ausgleich der weiterhin strukturell unterfinanzierten Bereiche wie bei den Kitas“, sagte der Vorstand der Caritas für das Bistum Münster, Dominique Hopfenzitz. Kindertagesstätten, Krankenhäuser und Pflege-Einrichtungen seien wirtschaftlich gefährdet.

Konkret werfen die Verbände der schwarz-grünen Landesregierung vor, im kommenden Jahr 83 Millionen Euro im Sozialbereich einzusparen. Die Verbände verlangen aber insgesamt deutlich mehr Geld vom Land für soziale Bereiche, wie etwa die Kinderbetreuung.

Was kritisieren die Sozialverbände?

Im Haushaltsplan der schwarz-grünen Landesregierung für 2025 gebe es „so viele Kürzungen im sozialen Bereich wie noch nie zuvor“, warnen Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und weitere Verbände. Auf 83 Millionen Euro summierten sich die geplanten Einsparungen. „Mit diesem Haushalt lässt sich in vielen zentralen Bereichen noch nicht einmal der Status quo aufrechterhalten“, so die Kritik. Dabei werde schon jetzt oft nur noch der Mangel verwaltet.

Zahlreiche Träger kämpfen ums Überlegen

„Dieser Haushaltsentwurf erweckt nicht den Eindruck, als wolle die Landesregierung die Mangelverwaltung in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit beenden“, sagte der Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege NRW, Hartmut Krabs-Höhler. „Mit diesem Etat lässt sich in vielen Bereichen nicht einmal der Status quo aufrechterhalten. Zahlreiche Träger kämpfen schon heute ums Überleben und müssen Beratungs- und Betreuungsangebote einschränken.“

Auch die oppositionelle SPD warnt vor einem „sozialen Kahlschlag“. „Dieser Haushalt ist der unsozialste, den ich hier seit langem gesehen habe“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Christian Dahm. Er bringe das „soziale Nordrhein-Westfalen zum Einsturz“, warnte er.

Welche Auswirkungen hätten die Einsparungen konkret für die Menschen?

Beispielsweise warnen die Verbände vor weiteren Einschränkungen bei Suchthilfezentren, Familienberatungen sowie Angeboten für geflüchtete und ältere Menschen. Aber auch die Hilfe für Familien mit kleinen Kindern oder die Armutsbekämpfung seien von den Kürzungen betroffen. „Damit wird direkt in das Herz der sozialen Infrastrukturen Nordrhein-Westfalens geschnitten“, sagt Hartmut Krabs-Höhler, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW.

„Zahlreiche Träger kämpfen schon heute ums Überleben und müssen Beratungs- und Betreuungsangebote einschränken.“ Den Rotstift bei der sozialen Infrastruktur anzusetzen, sei eine Gefahr für den Frieden und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. „Wir reduzieren die Teilhabe von Menschen und betreiben somit eine Ausgrenzung“, warnt Krabs-Höhler.

Was sagen die Ministerien zu der Kritik?

Man habe sich die Haushaltsplanung nicht leicht gemacht - aber die schwache Entwicklung der deutschen Wirtschaft bleibe nicht ohne Folgen auch für den Sozial-Etat, sagt ein Sprecher von Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). „Die geplanten Kürzungen sollen aber bewusst nicht bei Projekten erfolgen, die unmittelbar vor Ort den Menschen zugutekommen“, betont er.

Geplant sei, das Geld vor allem durch Entbürokratisierung und Digitalisierung einzusparen. Gleichzeitig stelle das Land im kommenden Jahr etwa für die Unterstützung der Tafeln oder den Kampf gegen Wohnungslosigkeit mehr Geld zur Verfügung.

Wie sieht es bei Kitas und Schulen aus?

Kitas und Schulen sind ein eigener Bereich. Die Aufwendungen für Bildung sollen im NRW-Haushalt im kommenden Jahr um rund 3 Milliarden Euro auf einen Rekordwert von fast 42 Milliarden Euro erhöht werden, betont die Landesregierung. So sollen 2025 zusätzlich 50.000 Ganztagsplätze im Grundschulbereich (OGS) eingerichtet und der Fachkräftemangel an den Kitas bekämpft werden.

Die Interessen von Kindern und Jugendlichen hätten für die Landesregierung weiterhin Priorität, betont Familienministerin Josefine Paul (Grüne). „Es geht darum, dass Eltern ihren Beruf gut mit ihrer familiären Situation vereinbaren können.“ Auch die Sprachförderung von Kindern stehe weiter im Zentrum. „Bei den Jüngsten in NRW wird nicht gespart“, verspricht die Ministerin.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft der Landesregierung dennoch vor, zu wenig in die Bildung der Kinder zu investieren. Bei den Schulen liege NRW derzeit mit jährlichen Ausgaben von 8.300 Euro pro Schüler um 900 Euro unter dem Bundesdurchschnitt, rechnet die Gewerkschaft vor.

Wie läuft die politische Debatte rund um den Haushalt 2025?

Zwischen der schwarz-grünen Regierung und der Opposition im Landtag gibt es harte Auseinandersetzungen um das Zahlenwerk. Insgesamt plant die Landesregierung mit Ausgaben von 105,5 Milliarden Euro, drei Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Trotzdem sind auch in anderen Bereichen Einschnitte geplant: Knapp drei Millionen weniger will das Land etwa für die Dienst- und Schutzkleidung der Polizisten ausgeben. Die Landesmittel für den kommunalen Straßenbau sollen halbiert werden. Beim Verbraucherschutz sollen die Mittel um rund 20 Prozent gekürzt werden. „Das ist kein Haushalt für die Menschen in Nordrhein-Westfalen, sondern gegen die Menschen in unserem Land“, kritisierte SPD-Oppositionsführer Jochen Ott im Landtag.

Was ist bei der Kundgebung in Düsseldorf geplant?

Ursprünglich sollte ein Protestmarsch gegen die Sozialkürzungen durch die Düsseldorfer Innenstadt und vorbei am Landtag führen. Doch wegen Sicherheitsbedenken wurde der Plan verworfen. Stattdessen ist am kommenden Mittwoch ab 12.05 Uhr (symbolisch um fünf nach zwölf) nun eine Kundgebung am linken Rheinufer gegenüber vom Landtag geplant. Neben Vertretern der Wohlfahrtsverbände sollen den Veranstaltern zufolge auch Sozialminister Laumann, Familienministerin Paul und mehrere Chefs der Fraktionen im NRW-Landtag auf der Bühne stehen.

(dpa)