Wohlfahrtsverbände demonstrieren „Kommen die Kürzungen, müssen die Therapien für Sexualstraftäter entfallen“

Düsseldorf · Im NRW-Sozialhaushalt sollen mehr als 80 Millionen Euro eingespart werden. Die Liga der Düsseldorfer Wohlfahrtsverbände spricht von Kahlschlag und einer Steilvorlage für politische Populisten.

Kommt es zu Kürzungen im NRW-Sozialetat, befürchtet die Düsseldorfer Arbeiterwohlfahrt unter anderem den Wegfall von Hausaufgabenbetreuungen für Migranten.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Am Tag nachdem Deutschland erfahren hat, dass es Neuwahlen gibt, ist die Sorge der Düsseldorfer Sozialverbände vor den geplanten Kürzungen im aktuell verhandelten NRW-Haushalt noch einmal größer. Denn alles scheint in diesen Tagen mit allem zusammenzuhängen. Und die Landesregierung argumentiert, sie müsse durch neue und zusätzliche Belastungen für den Landeshaushalt für das Jahr 2025 an einigen Stellen knapper kalkulieren.

Kommt es so wie geplant, fallen mehr als 80 Millionen Euro aus dem NRW-Sozialetat weg. Aus Sicht der Wohlfahrtsverbände ein Kahlschlag. „Und zwar einer, der auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die ohnehin zu den Benachteiligten in der Gesellschaft gehören“, sagt Bert Römgens, Sprecher der Liga der Wohlfahrtsverbände (siehe Info). Wer ausgerechnet bei der Familienbildung, der Hilfe für Migranten und der Prävention bis zu zwei Drittel der bisherigen Mittel einkürzt, bringe das soziale Miteinander ins Wanken und spiele so den Populisten in die Hände – davon sind die Sprecher der sechs Sozialverbände überzeugt. Dass eine Landesregierung Prioritäten setzen müsse, sei nachvollziehbar. „Nur die falschen sollten es nicht sein“, sagt Römgens.

An konkreten Beispielen, was die Kürzungen für Düsseldorf bedeuten würden, mangelt es den Verbänden nicht. „Unsere ambulanten Therapien für Sexualstraftäter würden entfallen. Allein in Düsseldorf und Duisburg blieben dann 25 bis 30 Täter ohne ein solches Angebot“, sagt Marion Warden, Geschäftsführerin der Awo, und fügt an: „Als Mitbetreiber eines Frauenhauses bereitet mir diese Aussicht erhebliches Kopfzerbrechen.“

Spenden oder Sponsorenevents, keine Lösung des Problems

Dass in der Flüchtlingsberatung der Bereich „Förderung der Integration Eingewanderter“ landesweit um mehr als 22 Millionen Euro verlieren soll, umtreibt DRK-Chef Stefan Fischer: „Das sind zwei Drittel der Mittel.“ Finanziert würden aus diesem Topf unter anderem Projekte zur Islamismus-Prävention und zur Förderung der Mehrsprachigkeit. Dass die Düsseldorfer Verbände solche Kürzungen ausgleichen können, sieht er nicht. Inflation, höhere Sachkosten und deutlich steigende Löhne hätten beim DRK bereits jetzt zu „mehreren hunderttausend Euro“ Defizit geführt. „Uns fehlen die Eigenmittel, um neue Lücken aufzufangen“, sagt er. Und auch Spenden oder Sponsorenevents, wie zuletzt das sehr erfolgreiche Konzert für Menschlichkeit, das 50 000 Euro für die Arbeit des DRK eingebracht habe, seien keine Lösung des Problems.

Weitere Spaltung der
Gesellschaft befürchtet

Sorge bereiten Anja Vennedey vom Diakonie-Vorstand die Kürzungspläne im Bereich der sogenannten „Komm-an-Mittel“. Dieser Plan träfe vor allen Dingen Mitarbeiter in den „Welcome Points“ und in den Zentren für das interkulturelle Zusammenleben. Dabei gehe es unter anderem um das Ausfüllen von Formularen und um Sprachkurse. „Müssten wir wegen der Kürzungen die dort geleistete Arbeit am Ende auf weniger Schultern verteilen, verlassen uns am Ende die Mitarbeiter, weil sie komplett überlastet sind“, befürchtet Vennedey. Ganz zu schweigen von den Folgen für eine bessere Integration der Geflüchteten.

Diese Folgen hält auch Anna Gockel-Gerber, Vorstandsvorsitzende der Düsseldorfer Caritas, für weitreichend. „Alle, die im Migrationsmanagement arbeiten, sind ohnehin überlastet, weil immer mehr Menschen eine Beratung brauchen“, sagt sie. Hier den Rotstift anzusetzen, sei unverantwortlich, weil es das Miteinander erschwere und letztlich zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft beitrage. Warum das so ist, macht Awo-Chefin Warden an einem Beispiel deutlich. „Wir haben in Düsseldorf beispielsweise zwölf Gruppen mit jeweils acht bis zehn Teilnehmern aus der arabischsprechenden Community. Hier geht es um Austausch, Integrationsberatung und Hausaufgabenhilfe. Das aufgeben zu müssen, wäre schlimm, weil es zu eigentlich vermeidbaren Belastungen für uns alle führen wird.“

Damit es nicht so weit kommt, rufen die sechs Sozialverbände zur Teilnahme an der großen landesweiten Demonstration der Wohlfahrtsverbände auf den Oberkasseler Rheinwiesen am kommenden Mittwoch unter dem Titel „NRW bleib sozial“ auf. „Noch ist ja der Haushalt nicht beschlossen, wir wollen die Politik davon überzeugen, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen“, sagt Liga-Sprecher Römgens.

(jj)