Tod in JVA Kleve Zu Unrecht inhaftierter Häftling soll Feuer in Zelle selbst gelegt haben
Düsseldorf · Dunkle Mutmaßungen, dass der zu Unrecht inhaftierte Amed A. in seiner Zelle zum Opfer eines Verbrechens wurde, fanden bereits den Weg in die Medien. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) legte nun am Montag den Bericht zum Tod eines inhaftierten Syrers vor.
„Wer ist der Mörder meines Sohnes?“ Ein T-Shirt mit dieser Aufschrift trug der Vater des wegen einer Verwechslung inhaftierten Amed A. bei der Beerdigung seines Sohnes. Des 26-järigen Syrers, der beim Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve am 17. September so schwer verletzt wurde, dass er später verstarb. Der Vorgang ist längst zum Politikum geworden. Dunkle Mutmaßungen, dass Amed A. in seiner Zelle zum Opfer eines Verbrechens wurde, fanden bereits den Weg in die Medien. Es gibt Rücktrittsforderungen gegen den NRW-Justizminister, die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss. Doch bevor es möglicherweise dazu kommt, muss sich Peter Biesenbach (CDU) erst einmal am Mittwoch im Rechtsausschuss des Landtags neuer Angriffe von SPD und Grünen erwehren.
Biesenbach spricht selbst vom „Supergau für den Justivollzug“
Dass er dort alles, was er weiß, auf den Tisch legen will, versichert Biesenbach am Montag vor Journalisten, denen er seinen für die Abgeordneten bestimmten 60 Seiten dicken Bericht präsentiert. Dass den erfahrenen Politiker die Sache ganz und gar nicht kalt lässt, ist deutlich zu spüren, als ihm die Stimme versagt angesichts des tragischen Geschehens, das der Minister selbst einen „Super-Gau für den Justizvollzug“ nennt. Wenn ein Mensch zwangsweise in staatliche Obhut genommen wird, dann müsse der Staat alles Menschenmögliche tun, dass dieser dabei nicht zu Schaden kommt. Das gelte umso mehr, wenn die Inhaftierung zu Unrecht erfolgt war, sagt Biesenbach.
Der Fall ist in der Tat tragisch: Wegen einer Namensverwechslung mit einem von der Staatsanwaltschaft Hamburg per Haftbefehl gesuchten Mann aus Mali, der Amed A. nicht einmal ähnlich sah, wird der Syrer Anfang Juli inhaftiert und kommt schließlich wegen des Feuers in seiner Gefängniszelle zu Tode. Die Opposition wirft dem Justizminister seit Wochen Vertuschung des Sachverhalts vor. Biesenbach bewertet das als „absolut boshaft“. Mit Blick auf die Rücktrittsforderung „scheint mir das politische Wollen größer zu sein als die kriminalistische Sachkenntnis“, sagt er, nun wieder gefasst. So tragisch das Geschehen sei, unterschwellig erhobene Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Justizvollzugs seien aus der Luft gegriffen, auch acht Beamte seien verletzt worden.
In dem Bericht wird der Stand der Ermittlungen geschildert. Die durch die Brandermittler festgestellte Spurenlage habe ergeben, dass das Feuer seinen Ausgang im Bereich des Etagenbettes in der Zelle nahm. Der Syrer habe sich allein in der Zelle befunden, es sei von vorsätzlicher Brandlegung in suizidaler Absicht auszugehen. Laut Ermittlungen habe sich der später Verstorbene mindestens 15 Minuten bei fortlaufendem Brandgeschehen in der Zelle befunden, bevor er die Gegensprechanlage betätigte. Als die Beamten die Tür öffneten, taumelte der bereits schwer verletzte Mann ihnen entgegen.
Warum hat er, wenn er sich doch selbst töten wollte, am Ende doch noch die Gegensprechanlage bedient? Fachleute sagten, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der Fluchtinstinkt nicht mehr zu unterdrücken sei, versucht Biesenbach eine Erklärung. Er wolle da aber nicht spekulieren. Er könne nur feststellen, dass der Mann eine Zeitspanne von 15 Minuten oder mehr nach Ausbruch des Brandes nicht genutzt habe, um Hilfe zu rufen.
Warum musste es überhaupt so weit kommen? Warum hat der Mann, der Anfang Juli festgenommen worden war, weil er an einem Badesee bei Geldern Frauen sexuell belästigt haben soll, sich monatelang nicht gegen die falsche Inhaftierung gewehrt? Warum fiel die Verwechslung nicht auf, warum klärte er sie nicht selbst auf? Auch hier kann der Bericht nur Vermutungen nahe legen. Dass der Mann glaubte, dass er wegen früherer Konflikte mit dem Gesetz in Haft sei. Schließlich war er mit dem deutschen Rechtssystem nicht vertraut. Warum er keine anwaltliche oder sonstige Hilfe in Anspruch nahm, bleibt im Diffusen.
Besonders tragisch wird das ganze Geschehen, wenn man in Betracht zieht, weshalb der Mann aus Mali, für den der Syrer Amed A. ja gehalten wurde, per Haftbefehl gesucht wurde. Es ging um eine Ersatzfreiheitsstrafe von 57 Tagen wegen Diebstahls. Eine Ersatzfreiheitsstrafe wird verhängt, wenn der Verurteilte eine Geldstrafe nicht bezahlen kann. In diesem Fall hätte die Sache mit ganzen 285 Euro aus der Welt geschafft werden können. Dann wäre der wahre Täter oder eben auch das Opfer seiner Verwechslung in Freiheit gewesen.