Überblick Heftige Debatte in NRW um Industriestrompreis: Das sind die Positionen

DÜSSELDORF · Nordrhein-Westfalen ist das Industrieland Nummer eins in der Republik. Deshalb wird über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis diskutiert – den aber soll es laut Bundeskanzler Olaf Scholz nicht geben.

Die Industrie in NRW fordert angepasste Preise für Strom.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Nordrhein-Westfalen ist das Industrieland Nummer eins in der Republik: Große Unternehmen aus energieintensiven Branchen haben hier in Vielzahl mit hohen Strompreisen zu kämpfen. Deshalb wird über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis diskutiert. Den aber soll es nicht geben, wenn es nach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht, der sich auf dem NRW-Unternehmertag in Düsseldorf am Mittwoch gegen dauerhafte Subventionen ausgesprochen hatte. „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben. Das wäre ökonomisch falsch, fiskalisch unsolide und würde sicherlich auch falsche Anreize setzen“, hatte Scholz gesagt – und eine Debatte angestoßen, die am Donnerstag in der NRW-Landespolitik heftig ausfiel. Sogar in Scholz‘ eigener Partei: SPD-Fraktionschef Jochen Ott warb am Donnerstag in Düsseldorf für einen „Brückenstrompreis“, den es brauche, um eine Lücke zu füllen, die sich erst mit ausreichend Erneuerbaren Energien und deren Transport schließe.

Ott will sich mit SPD-Bundestagsabgeordneten aus NRW bei der Bundesregierung für einen Industriestrompreis stark machen. Gleichzeitig mühte er sich, den parteiinternen Vielklang auszubremsen: Scholz habe trotzdem recht, wenn Stromtrassen und Energieparks nicht so schnell genehmigt würden, dass genügend Strom zur Verfügung stehe. Er, Ott, könne die Position der Bundesregierung verstehen, wenn sie bei den westlichen und südlichen Bundesländern Tempo anmahne. Den Industriestrompreis interpretierte Ott dann auch im Sinne der Scholz-Formulierung, dass der Staat bei besonderer Verwerfung trotzdem zur Hilfe komme: Der Preis, so Ott, sei eine Notfallhilfe – und müsse mit der klaren Verabredung für schnell genehmigte Stromtrassen für Windkraft kommen, erläuterte der SPD-Politiker. Sein Angriff auf die Landesregierung: „Wir brauchen einen Brückenstrompreis für die Zeit, wo Schwarz-Grün es nicht auf die Kette kriegt, die nötigen Leitungen dann auch hier in den Genehmigungsbehörden zu genehmigen.“

Neubaur: Scholz bremst
Anstrengungen aus

Der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Matthias Miersch, glaubt, den Kanzler für eine Subventionierung noch gewinnen zu können. „Davon werden wir ihn, denke ich, überzeugen können“, sagte er am Donnerstag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. Die SPD-Bundestagsfraktion sei in wenigen Wochen in Klausur und werde dazu auch Beschlüsse fassen.

Derweil warf NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) Scholz vor, Anstrengungen auszubremsen, den Industriestandort Deutschland dauerhaft zu sichern und energie- und handelsintensive Unternehmen im Land zu halten. „Und er gefährdet den Industriestandort insgesamt sowie zahlreiche Arbeitsplätze in NRW und in ganz Deutschland.“ Auch die Grünen-Landesvorsitzende Yazgülü Zeybek aus Wuppertal hat „kein Verständnis“ für Scholz‘ Absage. Der habe „offenbar den Bezug zu den Sorgen der Industrie verloren“.

Neubaur und Zeybek sehen sich an der Seite von Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Letzterer sagte zuerst gegenüber der „Rheinischen Post“, der Kanzlerkandidat Scholz habe der Industrie 2021 einen Industriestrompreis von vier Cent versprochen. „Der Kanzler Scholz hat diese Zusage nun auf bemerkenswerte Art und Weise wieder zurückgenommen.“ Wüst weiter: „Im Interesse unserer energieintensiven Unternehmen frage ich: Was nun, Herr Scholz? Der Kanzler ist dem Industriestandort Deutschland weiter eine klare Antwort schuldig, wie er das Problem der hohen Energiepreise lösen will. Ich erwarte, dass auch die SPD hier klar Position bezieht. Wer in dieser Sache nicht schnell handelt, trägt den Industriestandort Deutschland zu Grabe. Wenn unsere Industrie abwandert, bekommt auch der soziale Zusammenhalt Risse. Es ist erste Amtspflicht des Kanzlers, dem entgegenzusteuern.“

Höne wie die FDP im Bund gegen den Industriestrompreis

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte vorgeschlagen, für eine Übergangsphase einen mit Milliarden subventionierten Industriestrompreis für besonders energieintensive Betriebe einzuführen. Das Geld solle aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Dieser in der Corona-Pandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern.

Der Koalitionspartner FDP lehnt einen Industriestrompreis und eine Öffnung des Fonds strikt ab. Auch in NRW wohlgemerkt, wo FDP-Fraktionschef Henning Höne von einem „Irrweg“ spricht. „Selbstständige und kleine Betriebe sollten den Industrieunternehmen nicht den Strompreis mitbezahlen.“ Der „völlig ohne Not in grünen Hinterzimmern beschlossene vorgezogene NRW-Kohleausstieg 2030“ sei für den Bedarf mitverantwortlich. Höne: „Subventionen machen schlechte Politik nicht besser, sondern nur teurer.“