„Wir kriegen das hin!“ So war der Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz beim NRW-Unternehmertag

Düsseldorf · Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat auf dem NRW-Unternehmertag in Düsseldorf Stellung bezogen. Zunächst aber hatte er sich den Anforderungskatalog des Unternehmerpräsidenten servieren lassen müssen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht beim Unternehmertag Nordrhein-Westfalen.

Foto: dpa/Federico Gambarini

  Bundeskanzler Olaf Scholz gehört nicht zu der Art von Politikern, die ängstlich in unangenehme Termine gehen. Wer dem russischen Kriegstreiber Wladimir Putin wenige Tage vor Kriegsbeginn gegenüber saß, muss die versammelte Unternehmerschaft in Nordrhein-Westfalen wohl kaum fürchten. Selbst wenn die Zeiten dafür geeignet sind: Die deutsche Wirtschaft ist mit höchsten Ansprüchen schwer belastet, das Wehklagen drohte laut zu werden. Trotzdem kam Scholz am Mittwochnachmittag in die Düsseldorfer Rheinterrassen und bezog Stellung. Etwa sehr klar für ein Wachstumschancengesetz, das im Kabinett „noch in diesem Monat“ beschlossen werde – trotz aller jüngsten Wirrungen um die Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Und er nahm klar Stellung gegen einen dauerhaft subventionierten Strompreis für die deutsche Industrie – trotz aller lautstarken Forderungen der vergangenen Wochen, die auch auf dem Unternehmertag eine Rolle spielten. Das könne man sich nicht leisten, es sei ökonomisch und fiskalisch nicht ratsam, analysierte der Kanzler. Zum leisen Applaus vereinzelter Unternehmer auf diese klare Ansage sagte Scholz: „Ich danke den Marktwirtschaftlern unter ihnen.“ Der Kanzler machte recht eindrucksvoll klar, dass er einen Plan habe, der sich durch lautstarke Rufe von zahlreichen Lobbyisten-Gruppen nicht täglich verändern werde.

Unternehmerpräsident Kirchhoff fordert unbescheiden

Zunächst aber hatte sich der SPD-Bundeskanzler den Anforderungskatalog von Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff servieren lassen müssen, der die Bedeutung der NRW-Wirtschaft für die ganze Republik unbescheiden hervorhob: „Wenn die Wirtschaft in NRW einen Hexenschuss hat, liegt ganz Deutschland flach.“ Kirchhoff forderte, schnellstens einen klaren Schwerpunkt auf Wettbewerbsfähigkeit, Investitionen und Innovationen. „Deutschland hat massive strukturelle Probleme, die die Politik jetzt dringend angehen muss“, sagte er. Die Wirtschaftsleistung gehe zurück, das sei ein fatales Alleinstellungsmerkmal unter den Industrieländern der Welt. Viel zu hohe Energiekosten sowie Steuern und Abgaben gefährdeten die internationale Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeits- und Fachkräftemangel belaste alle Wirtschaftsbereiche. Zudem sei der Zustand der Infrastruktur extrem besorgniserregend und Bürokratie und Regulierung lähmten das ganze Land. „Die Lage ist ernst“, so Kirchhoff.

Seine Lösungen: Er forderte die Umsetzung des Wachstumschancengesetzes und ein Machtwort dazu von Scholz, das er indirekt dann auch gleich noch in Düsseldorf bekam. Und: Kirchhoff forderte einen international wettbewerbsfähigen Strompreis für die Industrie von „vier bis sechs Cent“ – und kassierte dafür eine Absage. Kirchhoffs Analyse: Nachhaltig abnehmen werde der Preisdruck allerdings nur mit einem gleichzeitigen massiven Ausbau der Energieerzeugung.

Angesichts der „für deutsche Verhältnisse geradezu unglaublichen Geschwindigkeit“ bei Planung, Genehmigung und Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven dankte Kirchhoff, das aber sei jetzt der Maßstab bei „Planungs- und Genehmigungsverfahren endlich auch für die anderen Transformations- und Infrastrukturprojekte massiv zu beschleunigen“. Kirchhoff wörtlich: „Herr Bundeskanzler, machen Sie das Deutschland-Tempo zu einem weltweit sichtbaren Markenzeichen deutscher Wirtschaftspolitik.“

„Als gäbe es die Krisen nicht, wird draufgesattelt“

Die Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesregierung bezeichnete der NRW-Unternehmerpräsident als die eines Landes, das immer noch glaube, sich alles leisten zu können. Vom Arbeitszeitgesetz über das Lieferkettengesetz bis zum Tariftreuegesetz eröffne das Bundesarbeitsministerium immer wieder neue bürokratische Baustellen für die Wirtschaft. „Als gäbe es die aktuellen Krisen nicht, wird hier unverdrossen draufgesattelt“, kritisierte Kirchhoff. Inzwischen sei auch die so wichtige 40-Prozent-Grenze bei den Sozialbeiträgen überschritten. Kirchhoff: „Wir müssten mehr arbeiten und die Rente mit 63 nicht mehr zulassen.“ Deutschland brauche überdies eine „Agenda für die Fleißigen“ mit „mehr Netto vom Brutto“.

Ein ordentlicher Rucksack für Scholz war das. Der machte erst einmal darauf aufmerksam, dass die „viertgrößte Volkswirtschaft der Welt“ durch herausfordernde Zeiten gehe. Man sei aber deutlich besser durch die Krisenzeit gekommen, „als uns das viele vorher gesagt haben“. Wutwinter, Energieengpässe und eine tiefe Rezession habe es nicht gegeben. „Und von den extremen Energiepreisen des vergangenen Jahres sind wir meilenweit entfernt.“ Seine Analyse ist die aus einer Regierungszeit, in der Scholz Finanzminister unter der Kanzlerin Angela Merkel gewesen ist: Die Energiewende sei jahrelang viel zu zögerlich vorangetrieben, zu wenig auch in die digitale Infrastruktur investiert worden. Und: „Ein modernes Einwanderungsrecht gegen den Fachkräftemangel war politisch lange nicht durchsetzbar.“ Scholz‘ Versprechen aber ist die des Momentes: „Wir befinden uns in einer Zukunftswende.“

Wasserstoff soll in großer Menge eingekauft werden

Der Bundeskanzler zeichnete am Ufer des Rheins in Düsseldorf ein Bild des Fortschritts von Deutschland. Grüner Stahl werde mit Hilfe von Bund und Land künftig bei Thyssenkrupp produziert, „und das ist genau richtig so“. Die Halbleiterindustrie siedele sich vermehrt in Deutschland an, die Infrastruktur für den Wasserstoffhochlauf werde mit hohem Direkt-Investment des Bundes unterstützt. Wasserstoff solle zudem künftig in großem Umfang eingekauft werden. Die Zukunftsinvestitionen, die allein das Wirtschaftsministerium investiere, lägen allein bei „über 80 Milliarden Euro“. Sein Versprechen: Für schnell günstigere Energiekosten werde alles getan. „Wir werden Übertragungsnetze und Speicher für erneuerbare Energien im Deutschlandtempo bauen.“

Gesetz für Gesetz trimme man derzeit auf Schnelligkeit, „damit wir bis 2030 80 Prozent der Energie aus Erneuerbaren schaffen“. Und noch mehr: „Wir werden in den 30er Jahren rund 1000 Terrawattstunden brauchen, und wir kriegen das hin“, sagte Scholz. Für die Notwendigkeiten rechne man von 2030 aus gesehen zurück. „Deutschlandgeschwindigkeit geht nicht nur beim Bau von Flüssiggasterminals“, so Scholz.

Der Strompreis werde auf diese Weise schnell Stück für Stück gedrückt. „Die energieintensiven Branchen warten darauf.“ Allerdings: Ein „schuldenfinanziertes Drücken“ dieses Preises werde es nicht geben. Mit einer Einschränkung: „Bei größeren Verwerfungen werden wir immer wieder einstehen.“

Unternehmen sollen stattdessen auf breiter Front entlastet werden, etwa mit „besseren Abschreibungsmöglichkeiten“. Parallel arbeite man mit den Ländern an verkürzten Planungs- und Genehigungsverfahren, die neben überbordender Bürokratie auch den NRW-Unternehmern offenbar schwer auf der Seele lasten. Scholz‘ Ermutigung zum Schluss: NRW sei ein erfahrenes Transformationsland. „Diese Erfahrung ist heute Gold wert. Bedenkenträger und Cassandra-Rufer gibt es da draußen schon genug. Also packen wir es an.“ Und er prophezeite: „Wir kriegen das hin, dass wir unser Land voran bringen.“