Jenny Schily ist in „König Lear“ zu erleben Glaubwürdigkeit ist ihr in ihren Rollen wichtig
Düsseldorf · Bekannt wurde Jenny Schily durch Kino- und Fernsehfilme. Jetzt ist sie auf der Bühne des Schauspielhauses zu sehen – in der Inszenierung von „König Lear“. Musik hilft ihr, in die Rolle einzutauchen.
Ihre Kopfhörer trägt Jenny Schily noch um den Hals, als sie zum Interview kommt. Was sie denn gerade gehört habe? Die Schauspielerin stutzt. „Oh, das ist aber sehr intim“, sagt sie und lacht. Doch dann erzählt sie, dass sie für jedes Stück eine eigene Musik aussucht. „Ganz unterschiedlich, meist im Popbereich. Und dann kristallisiert sich manchmal ein Lied heraus, das es für mich auf den Punkt bringt, das höre ich dann in Dauerschleife. Danach ist es ausgereizt und braucht eine Pause. Falls ich es überhaupt wieder hören kann.“
Was genau sie für „König Lear“ passend findet, mag sie nicht verraten. Aber jenseits davon ist Jenny Schily eine lebhafte Gesprächspartnerin, die mit spürbarer Begeisterung über ihren Beruf und über ihre Arbeit in Düsseldorf spricht. Sie gastiert nach längerer Theaterpause zum ersten Mal am Schauspielhaus. Wer oder was hat sie hergebracht? „Es gab Fürsprecherinnen, die Regisseur Evgeny Titov auf mich aufmerksam machten“, antwortet sie: „Ich kannte ihn vorher nicht, aber ich hatte große Lust, wieder Theater zu spielen. Auch zeitlich hat es sich gut für mich gefügt.“
Schily spielt Goneril, eine der drei Töchter von König Lear. „Ich war gleich angetan von der Fassung“, sagt sie: „Es ist ja eigentlich ein Doppel-Drama mit vielen verschiedenen Erzählsträngen und noch mehr Figuren. Schon beim Lesen fällt es nicht leicht, da durchzusteigen.“ Titovs Fassung konzentriert sich auf König Lears Geschichte, seinen Umgang mit Macht, das Loslassen dieser Macht in der Beziehung zu seinen Töchtern, seinem Freund Kent, dem Narren und einem männlichen Gegenüber.
Schon der erste Kontakt mit dem Regisseur und Dramaturgin Janine Ortiz sei sehr angenehm verlaufen, berichtet Schily. Während der Proben bestätigte sich dieser Eindruck. Außer ihr sind bei „König Lear“ noch andere Gäste dabei. Burghart Klaußner in der Titelrolle ist ebenfalls nicht im festen Engagement, aber dem Schauspielhaus aus etlichen Produktionen eng verbunden. „Wir kennen und mögen uns“, sagt Schily. Anfangs sei sie etwas nervös gewesen, weil sie lange nicht gespielt hatte. „Doch dann war es überhaupt nicht problematisch, ich habe es gleich als schön empfunden“, bestätiget sie.
Trotz der Herausforderung
sei die Arbeit für sie inspirierend
Kein Nachteil, nicht zum Ensemble zu gehören, im Gegenteil: „Ich flattere hier so rein und mag dieses Von-außen-Kommen ganz gern. Fest an einem Haus zu sein, kenne ich gut und habe es zeitweise sehr geschätzt, aber es kann mitunter auch anstrengend sein. Obwohl die Kontinuität im Arbeiten schön ist, ist man in einem System verankert. Und da kann es auch mal knirschen.“
Singuläre Projekte wie dieses gefallen ihr – und bei aller Herausforderung sei die Arbeit inspirierend: „Man merkt, dass Evgeny Titov vom Schauspiel kommt. Er spielt oft etwas vor, aber nicht, damit wir ihn nachahmen. Es geht ihm darum, dass wir es verstehen und in den Körper bekommen.“
Auf die letzten Proben und die Premiere an diesem Samstag ist die Schauspielerin gespannt. Von Düsseldorf hat sie noch nicht viel gesehen, die freien Tage verbrachte sie in Berlin bei ihrer Familie – ihrer 17-jährigen Tochter Alma und ihrem Mann, dem Musiker und Komponisten Thomas Kürstner. Mit ihm setzte sie eine Reihe gemeinsamer Projekte um, einige verknüpft mit den literarischen Werken ihres Urgroßvaters, dem genialen Architekten Bruno Taut.
Irgendwann kommt man dann aber an einem Thema nicht länger vorbei. Die Schauspielerin kennt das schon, lächelt nachsichtig und bringt Verständnis dafür auf. Denn natürlich erregt ihr Name Aufmerksamkeit. Ihr Vater ist Otto Schily, Rechtsanwalt, Verteidiger von RAF-Terroristen, Mitbegründer der Grünen und ehemaliger deutscher Innenminister. Kunst und Musik waren in Jenny Schilys Kindheit immer präsent. Die Mutter ist Malerin, der Vater spielte Klavier und Cello.
Dennoch war er anfangs nicht sehr begeistert von ihrem Wunsch, Schauspielerin zu werden, den sie schon eine Weile in sich trug. „Eine akademische Karriere wäre ihm lieber gewesen“, sagt sie, „weniger aus Dünkel. Er wollte sicher sein, dass ich unabhängig sein kann.“ Sie aber zog es nach einigen Semestern Slawistik und einer Hospitanz am Theater doch zur Bühne. Sie begann ein Studium an der Ernst-Busch-Schule Berlin und ging danach direkt ans Dresdner Staatsschauspiel. Dort vertraute man ihr gleich die Nina in „Die Möwe“ von Tschechow an. Später war sie am Schauspiel Frankfurt, am TAT Frankfurt, an der Schaubühne und am Berliner Max Gorki-Theater engagiert.
Es blieb nicht bei der Bühne, bald riefen Fernsehen und Film nach Jenny Schily. Bekannt wurde sie im Kino durch Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ (1999), parallel dazu auf dem Bildschirm durch die Roy-Black-Story „Du bist nicht allein“. Christoph Waltz spielte den Sänger, sie seine Frau Silke. „Von Schlagern hatte ich keine Ahnung“, sagt sie, „diese Welt war mir fern.“ Aber der klägliche Niedergang von Roy Black berührte sie. Eine tragische Figur, missgeleitet von seinem Management.
Glaubwürdigkeit ist ihr wichtig in ihren Rollen. Zunächst müsse sie ihre Figuren verstehen, sagt sie. Bei Goneril in „König Lear“ mit seinem in Shakespeare-Manier zugespitzten brutalen Ende sei das nicht leicht: „Aber ich verstehe sie immer besser, bekomme langsam eine Vorstellung von ihr. Wenn ich ihre Gedanken wirklich denken und ihre Motivationen begreifen kann, dann entstehen die entsprechenden Gefühle von selbst.“