Projekt „Rennen“ Köln verstärkt Kampf gegen illegale Autorennen
Köln · Das Projekt “Rennen” der Polizei in der Domstadt wird zu einer eigenen Dienststelle. Die Notwendigkeit ist laut Innenminister Herbert Reul (CDU) groß - denn die Fallzahlen steigen weiter.
Zwei Polizeimotorräder haben einen weißen BMW in die Zange genommen, dessen Boden knapp über dem Asphalt schwebt. Er wird zur Kontrollstelle am Kölner Tanzbrunnen gelotst, wo mehrere Beamte dem getunten Fahrzeug mit Taschenlampen zu Leibe rücken. Eine halbe Stunde später wird er auf die Ladefläche eines Abschleppwagens gezogen werden - einer von vier Wagen, die in dieser Freitagnacht abgeschleppt werde, weil ihre Betriebserlaubnis erlischt. Für insgesamt rund 40 Beamte der Kölner Polizei ist es ein wochenendlicher Routineeinsatz gegen illegale Autorennen auf den Ringen. Nur eines ist anders: Sie haben in dieser Nacht prominenten Besuch von Innenminister Herbert Reul (CDU).
“Das Raserprojekt brannte mir lange unter den Nägeln”, erklärt Reul, der seit seinem Amtsantritt Einheiten im ganzen Land besucht, um die Polizei kennen zu lernen. Es sei “eine zwingende Notwendigkeit, dass die Polizei sich kümmert”. Denn die Zahl illegaler Autorennen stieg nicht nur zwischen 2017 und 2018 von 335 auf 474 und damit um gut 40 Prozent. Auch in diesem Jahr setzt sich der Trend bislang fort: Gab es im ersten Quartal des Vorjahres 95 Rennen, so wurden im gleichen Zeitraum 2019 106 registriert. Er stellt aber auch klar: Hinter den steigenden Fallzahlen steckt auch die verstärkte Kontrolle der Sicherheitskräfte.
Das bestätigt der Kölner Polizeihauptkommissar Jürgen Berg: “Wenn wir mit zehn Zivilfahrzeugen unterwegs sind, machen zehn Zivilfahrzeuge Feststellungen. Sind wir mit zweien unterwegs, machen nur zwei Feststellungen.” Es sei nicht selten, dass die Kölner Spezialisten Raser auf frischer Tat ertappen.
Inzwischen hat sich das Kölner Projekt - eine Pionierinstitution gegen Autorennen - herumgesprochen. Ein Kollege habe neulich ein Auto in Wuppertal kaufen wollen und testweise nach einer verbotenen Auspuffanlage gefragt. “Der Händler hätte ihm die verkauft, sagte aber direkt dazu: Fahren Sie nicht nach Köln, die nehmen Ihnen das Auto weg.” So passiert es an diesem Abend dem Fahrer des weißen Audi, weil das Fahrwerk so verändert ist, dass Reifen und Karosserie sich berühren - bei hohen Geschwindigkeiten könnte das Auto leicht aus der Spur kommen, erklären die Polizisten. Der junge Fahrer aus dere Nähe von Hamburg nimmt es gelassen. Er wollte seinen Kölner Freund eigentlich nur bis Sonntag besuchen, nun wird er länger am Rhein bleiben müssen. Gleich nach ihm hängt ein BMW mit bis auf die Felge abgefahrenen Sportreifen am Haken. Neben den harten Strafen für Raser sind solche Nadelstiche gegen die Tuningszene Instrument der Polizei, um Ruhe in der Stadt zu stiften.
Die Raser seien ausschließlich männlich, meist zwischen 18 und 27 Jahre alt. Oft sparten sie und ihre Familien sich die wertvollen Autos vom Munde ab, “damit der Sohn nach außen etwas darstellt”, so Berg. Sie wohnten teils noch in ihrem Kinderzimmer. Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer kannten sie nicht: “Denen ist alles egal - bis der Abschleppwagen kommt.” Für die Kölner Sicherheitskräfte sind die Tuner allerdings “Beifang”. Sie sind vor allem im Verkehr unterwegs, um illegale Rennen schon in ihrer Anbahnung zu beobachten. Bei der Kontrolle am Freitagabend erlegen die Spezialisten wegen zu hoher Geschwindigkeit 212 Fahrern ein Verwarngeld auf, 31 erhalten eine Anzeige. In zehn Fällen droht ein Fahrverbot.
Das Kölner Projekt ist so erfolgreich, dass es im September als Einsatztrupp Rennen zu einer eigenen Dienststelle wird. Das sei auch wichtig, um nicht mehr nur mit “geliehenem” Personal zu arbeiten, so Berg, der die neue Dienststelle leiten wird. Mittlerweile haben die Mitarbeiter im Projekt so viel Schulung beim Tüv hinter sich, dass 99 Prozent der Fahrzeuge, die sie einführen, auch als verkehrsunsicher aus dem Verkehr gezogen werden.
Reul sagte anderen Polizeibehörden in NRW, die ähnliche Probleme mit der Raserszene haben, Unterstützung zu, wenn sie Projekte wie dieses auflegen wollten - auch wenn er wisse, dass dies angesichts der Personaldecke und aktuellen Herausforderungen etwa im Kampf gegen Kinderpornografie schwierig sei. Er begrüßte zudem, dass die Gerichte deutlich härtere Urteile fällten. Reul hatte sich zuvor die kleine Gedenkstelle am Auenweg angesehen, wo im April 2015 eine 19-Jährige starb - getötet durch zwei junge Männer, die sich ein Rennen lieferten. Gegen solch rücksichtsloses Verhalten “hilft nur Abschreckung”, sagte der Minister deutlich.