Gedenken 20 neue Stolpersteine für Krefeld

Vor neun Jahren wurde mit einem der ersten Steine an der Roßstraße an die Jüdin Else Müller gedacht.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Am Donnerstag hat der Kölner Bildhauer Gunter Demnig weitere 20 Stolpersteine an insgesamt fünf Stellen in der Stadt verlegt. Bisher gab es 61 solcher Gedenksteine für Krefelder Opfer des Nazi-Terrors. Am 18. Dezember 2006, am 16. Februar 2007 und am 16. Dezember 2011 wurden sie von Demnig installiert. Einer der ersten davon war der Stein für Else Müller, geborene Coppel, an der Roßstraße 249. Die Jüdin starb am 1. Juni 1945 an ihrem 51. Geburtstag im KZ Theresienstadt.

Ihre Tochter Ilse ist heute 90 Jahre alt und ist wohl eine der letzten Überlebenden der 1944 zur Zwangsarbeit Deportierten. Die Familie Müller wurde in ihrem Haus an der Roßstrasse ausgebombt und zog in eine Behelfswohnung an die Uerdinger Parkstraße. Ilse Kassel-Müller wurde am 17. September 1944 mit dem letzten Juden-Transport gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer im sechsten Monat schwangeren Schwester Lore und deren Mann Werner Gabelin deportiert. Während Schwester und Schwager ins KZ Theresienstadt gebracht wurden, landete die damals 19-jährige Ilse mit ihrer Mutter zunächst zur Zwangsarbeit in der NS-Organisation Todt in Zeitz in Sachsen-Anhalt. Der christliche Vater, der Elektromeister Fritz Müller, blieb mit dem damals zwei Jahre alten Richard Gabelin in Krefeld zurück.

Im Februar 1945 wurde auch ihre Mutter ins KZ Theresienstadt deportiert. Sie traf dort neben ihrer Tochter Lore und deren Mann auch ihren Bruder und ihre Stiefmutter. Lore gebar am 21. Dezember 1944 im KZ einen Jungen, Thomas Gabelin. Ilse Kassel: „Das war ein großes Wunder, denn noch eine Woche vorher wurden Mütter mit Kindern von dort in die Gaskammern ins Vernichtungslager Auschwitz geschickt.“

Else Müller wurde in Theresienstadt am 8. Mai 1945 von Truppen der Roten Sowjetarmee befreit. Allerdings hatte die Befreiung zur Folge, dass eine grassierende Typhus-Epidemie sich in der Folge rasch über das Lager hinaus ausbreitete. Man rief zu freiwilligen Helfern auf. Auch Else Müller meldete sich zur Pflege der Schwerkranken. Sie infizierte sich dabei und starb an der tückischen Krankheit. Sie starb an ihrem 51. Geburtstag, dem 1. Juni 1945. Ihr Leichnam wurde verbrannt, sie erhielt ein Urnengrab auf dem Ehrenfriedhof der tschechischen Nation in Theresienstadt. Seit Jahren erinnert ihre Tochter Ilse mit einer Traueranzeige in der WZ jeweils am 1. Juni an ihre Mutter.

Sie selbst wurde in Zeitz am 13. April 945 von der selben US-Einheit befreit, die auch die Tore des KZ Buchenwald geöffnet hatte. Sie brauchte mehrere Wochen, ehe sie sich per Fahrrad, Motorrad und mit Lkw-Mitfahrgelegenheiten wieder in ihre Heimatstadt durchschlagen konnte.

Ihr Vater Fritz Müller wurde nach dem Krieg rehabilitiert und betrieb ein Elektrogeschäft an der Kölner Straße 25. 19 Jahre lang war er als Obermeister für die Elektro-Innung tätig. Ihre Schwester Lore Gabelin und ihr Mann überlebten Theresienstadt. Ilse Müller heiratete 1957 Helmut Kassel, der Beamter bei der Verwaltung der Stadt war. Im selben Jahr übersiedelte das Paar zum Dahlerdyk, wo Ilse Kassel-Müller noch heute wohnt. Ihr Mann verstarb 1997.