Linn. Die Musikgeschichte der Stadt erwacht im Jagdschloss zum Leben

Krefeld-Linn · Die Ausstellung „Von der Lochkarte in die Cloud“ wird am Sonntag erstmalig auf Burg Linn gezeigt.

Im Raum der Krefelder Rock- und Popgeschichte präsentieren sich die Macher der Ausstellung (v.l.): Museumsleiterin Jennifer Morscheiser, Andreas Kalinka und Florian Pfahl von der Firma Space Interactive, die Sammler und Kenner der Krefelder Musikszene Hans Rommerskirchen, Philip Lethen und Wolfgang Hellfür sowie Christoph Dautermann als stellvertretender Museumsleiter.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Seit den 1980er Jahren hat sich kaum etwas getan am Museumskonzept und am Inventar im Jagdschloss von Burg Linn. Nun haben die Museumsleiterin Jennifer Morscheiser und ihr Stellvertreter Christoph Dautermann das Haus auf den Kopf gestellt und laden zur Ausstellung „Von der Lochkarte in die Cloud“ ein. Dabei werden die beiden für Krefeld prägenden historischen Stränge Seide und Musik miteinander verwoben und mit pfiffigen didaktischen Elementen anschaulich gemacht. Damit soll das Haus künftig auch von einer breiteren Interessenschar erschlossen werden.

„In Krefeld führt die Digitalisierung über die Lochkarte in die Seidenweberindustrie“, erläutert Jennifer Morscheiser die Idee für die Ausstellung, die am Sonntag eröffnet wird. Das binäre System aus Nullen und Einsen nutzen schon damals die mächtigen Industriellen, um die Webstühle im 19. Jahrhundert anzutreiben, um Geld damit zu verdienen. Geld, das sich auch in der Kulturgeschichte der Stadt widerspiegelt – und damit auch in der Musik. So waren es die Seidenbarone der Familie von der Leyen, die großen Komponisten durch ihre finanzielle Förderung den Weg nach Krefeld geebnet haben. „Strauss, Mahler, Brahms – die waren alle hier“, erklärt Christoph Dautermann. Mahler hatte sogar seine dritte Sinfonie in d-moll in Krefeld uraufgeführt.

Der Zusammenhang von Geld, Macht und Kultur ist keineswegs neu – „entstaubt“ werden die historischen Hintergründe nun aber in der Ausstellung im Jagdschloss. Und sie werden in einen auf den ersten Blick überraschenden Kontext gestellt, wie Jennifer Morscheiser erläutert: „Mechanische Musikinstrumente und Industriewebstühle waren die ersten Maschinen, die mit Lochkarten digital betrieben wurden. Hier nahm die Digitalisierung ihren Anfang und beide arbeiteten damit gleichzeitig an ihrer eigenen Überflüssigkeit.“

Und digitaler Technik bedienen sich die Institutsleiter auch für eine zeitgemäße Präsentation der Ausstellung. Die Besucher können dabei in „Space Books“ der Krefelder Firma Space Interactive stöbern. Texte werden beim Umblättern akustisch begleitet, Bilder farblich untermalt und grafischen Elementen wie Webstühlen wird durch Animationen Leben eingehaucht. Trockene historische Materie wird so zum interaktiven Abenteuer für Familien und alle Generationen. Auch ein Volkslied-Quiz wartet im Schlafzimmer der Von der Leyens auf die Besucher.

Der Kammerton „a“
wurde in Krefeld erfunden

Der Weg führt weiter über das De-Greiff-Zimmer mit zwei Tafelklavieren und wiederum entsprechendem Krefeld-Bezug: Um 1787 gab es in Krefeld bereits vier Klavierbauer. Gezeigt wird auch das aus Meissener Porzellan gefertigte Glockenspiel des Krefelder Uhrmachers „Glockebaas“, die Tradition der Singvereine und Chöre in Krefeld wird gewürdigt und eine nicht unbedeutende Erfindung von Johann Heinrich Scheibler: Er entwickelte einen Tonmesser („Monochord“), durch ihn wurde der Kammerton „a“ auf 440 Hertz pro Sekunde festgelegt.

Was nicht fehlen darf: die Krefelder Rock- und Popgeschichte mit Eigengewächsen wie Andrea Berg und Blind Guardian. Mit der Band Specktakel („Mama Laudaaa“) schließt sich der Kreis der digitalen Entwicklung: Die Band hat keinen einzigen Tonträger produziert.