Beschneidung: Urteil trifft auf Widerstand
Juden und Muslime sehen ihre Religionsfreiheit eingeschränkt und fordern Straffreiheit.
Krefeld. Michael Gilad und Mehmet Demir sind wegen des Gerichtsurteils zur Strafbarkeit von religiös begründeten Beschneidungen von Jungen empört. In einer deutschlandweit bisher einmaligen Aktion traten gestern die Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde und die Union der türkischen und islamischen Vereine gemeinsam vor die Öffentlichkeit. „Es wird für beide Gemeinschaften nun unmöglich, weiter die Religionsfreiheit zu betreiben“, betont Gilad.
Nach jüdischer Tradition wird ein Junge am achten Tag nach seiner Geburt beschnitten, um „in den Bund Abrahams“ aufgenommen zu werden. Die sogenannte Brit Mita werde von einem religiösen und medizinischen Spezialisten durchgeführt, dem Mohel, und stelle keine körperliche Gewalt dar.
Genauso sieht das auch Demir. „Auch im Islam ist die Beschneidung von Jungen ein religiöses Gebot und ein Identitätsmerkmal, das nicht als Straftatbestand gelten sollte.“ Muslime wie Juden begrüßen die Unterstützung der evangelischen und katholischen Kirche gegen dieses Urteil und appellieren nun an die Krefelder Politiker, ihren Einfluss in Berlin geltend zu machen und Rechtssicherheit zu schaffen. „So dass wir auch weiterhin in Deutschland, wo die Ausübung der Religionsfreiheit grundrechtlich garantiert und geschützt wird, uns auf unsere religiöse Traditionen berufen können, ohne strafrechtlich dafür belangt zu werden.“
Vor allem in den USA wird die Beschneidung des männlichen Neugeborenen fast routinemäßig durchgeführt — nicht aus religiösen, sondern aus hygienischen Gründen. Von der Weltgesundheitsorganisation zitierte Studien weisen darauf hin, dass das Infektionsrisiko für diverse Krankheiten wie HIV, Gonorrhoe, Peniskrebs oder Gebärmutterhalskrebs bei der Partnerin sinkt. Aus medizinischer Sicht ist die Beschneidung als prophylaktische Maßnahme laut Prof. Tim Niehues aber nicht zu empfehlen. „Die beschnittene Vorhaut ist nicht der einzige Faktor dabei“, erklärt der Chefarzt des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld.
Dennoch sei die Beschneidung ein häufiger Wunsch von Eltern, der bis zu diesem Urteil auch regelmäßig in einer ambulanten Operation im Klinikum erfüllt wurde. Das müsse weiter gewährleistet werden, schon aus medizinischen Sicherheitsgründen. Er erwartet deshalb, dass Ärzteverbände eine klare ablehnende Stellung beziehen werden.