Die Autobahn mitten im Wohnzimmer
Lärm: Anwohner der A 57 erzählen von ihrem Leben mit permanentem Krach.
Krefeld. Es gibt sicher gemütlichere Plätzchen, als mitten auf der Autobahn ein Buch zu lesen oder zwischen dröhnenden Motorrädern mit der Freundin zu plaudern. All das tut Ulrike Böhmer natürlich auch nicht wirklich. Doch genau so kommt es ihr vor, wenn sie sich in ihren Garten Im Talacker setzt.
Die A57 verläuft nur wenige Meter von ihrer mit bunten Blumen bepflanzten Terrasse. 100 000 Fahrzeuge in 24 Stunden brausen hinter der grauen Mauer vorbei, die sie mit Efeu ein wenig ansehnlicher gestaltet hat. Die Vibrationen, die das Brummen der Lkw dahinter erzeugt, kann man sogar körperlich spüren. Entspannung im eigenen Heim sieht sicher anders aus.
"Der Lärm wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Und er ist für uns ein Dauergeräusch, zu jeder Uhrzeit. Daran gewöhnen Sie sich nie", sagt Böhmer über ihr Leben mit Lärm. Die letzten Worte kann man nur noch erahnen. Ein 40-Tonner rast mit lautem Klappern und Getöse über die Schnellstrecke hinter der Mauer. Heute ist Westwind. So wie an etwa 200 weiteren Tagen im Jahr. "Da ist es besonders laut."
Ob sie schon einmal an Umziehen gedacht habe? "Ja!", platzt es aus ihr heraus. "Stellen Sie sich vor: Ich höre nie die Vögel zwitschern, und nachts müssen wir spätestens um 4 Uhr das Fenster schließen, sonst tun wir kein Auge mehr zu. Dazu kommt der Staub, den ich jeden Tag von den Fenstern wische." Umziehen kommt für ihren Mann Herbert nicht in Frage. "Es ist mein Elternhaus. Da hängt man eben dran", sagt der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft A57, dessen Büro ebenfalls im Wohnhaus liegt. "Ich könnte das Haus ohnehin nur mit großem Wertverlust verkaufen. Aber das kann ich mir nicht leisten."
Ihn stören am meisten die heulenden Motorräder, die man schon ab dem Moerser Kreuz hören kann. "Von denen hat man lange etwas. Der Verkehrslärm ist unser Meeresrauschen, könnte man als positiver Mensch sagen", so Böhmer, der den permanenten Krach ganz offenbar nur noch mit Sarkasmus erträgt.
Die Fenster des Einfamilienhauses sind schallisoliert. 59 Dezibel ist der gesetzliche Höchstwert. "Wir liegen drüber", ist Böhmer sicher, dessen Blutdruck schon erhöht ist. Ob der Stressfaktor Lärm der Auslöser sei? "Vielleicht."
"Ganz sicher", sagen Helga und Lothar Felske, die von jeweils zwei Hörstürzen und Enkelkindern berichten, die nicht mehr bei ihnen übernachten könnten wegen der Lärmbelastung. Die Jalousien im Wohnzimmer sind herunter gelassen, am helllichten Tag. "Das hält den Lärm etwas ab", sagen sie beim Rundgang durchs Reihenendhaus an der Hoeninghausstraße.
Während Böhmers in Gartenstadt, also im Norden der geplanten Ausbaustrecke, leiden, sind Felskes direkte Anwohner der Autobahn weiter südlich, Richtung Oppum.
Problem Die Anwohner der A 57 sind permanentem Krach ausgesetzt. Sie fordern einen Tunnel. Die rollende Redaktion sammelt am heutigen Mittwoch, 17 bis 18 Uhr, an der Bergstraße in Höhe der Autobahnbrücke Stimmen. Wer nicht kommen kann, schicke ein Fax an 855-2824 oder maile an