Herr Ottersbach, eine „prosperierende, lebendige und liebenswerte Stadt“ mit „geringerer Umweltbelastung und öffentlichen Räumen mit hoher Aufenthaltsqualität“, so wie es im Mobilitätskonzept genannt ist, das muss doch auch ihr Wunsch sein?
Interview Handelsverbands-Chef: „Krefeld lebt von seinem Umland“
Krefeld · Interview Markus Ottersbach kritisiert das Leitbild für das Mobilitätskonzept der Stadt.
Ende Oktober ist das Leitbild zur zukünftigen Mobilität in Krefeld beschlossen worden. Damit soll erreicht werden, dass schon in den kommenden zehn Jahren („Mobilitätskonzept Krefeld 2030+“) wichtige Weichen für alternative Formen des Verkehrs — unter anderem in der Innenstadt — gestellt werden. Der Handelsverband NRW Krefeld-Kempen-Viersen steht nicht hinter diesem Leitbild. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer Markus Ottersbach über die Gründe sowie über das Parkraumkonzept und die Absage an eine Veranstaltungshalle in der City.
Markus Ottersbach: Genau dafür treten wir ein. Das tragen wir immer wieder mantra-artig vor uns her.
Warum wehren Sie sich dann gegen das Leitbild?
Ottersbach: Zum einen sind Ziel und Ergebnis vertauscht. Ziel eines Mobilitätskonzeptes sollte die Verbesserung der Mobilität sein. Hier muss im Vordergrund stehen, wie eine Stadt für den Verkehr zukunftsfähig aufgestellt werden kann. Das Thema Klima sollte aber im Klimaschutzkonzept behandelt werden. In dem vorliegenden Leitbild zur Mobilität ist aber vorrangig von einer Verbesserung der Umwelt die Rede.
Sie sind aber nicht gegen ein besseres Klima?
Ottersbach: Natürlich nicht. Wir denken aber, dass eine Verbesserung der Mobilität zu einer Verbesserung der Umwelt führt.
Was stört Sie noch an den Leitlinien?
Ottersbach: Uns ist das ganze Mobilitätskonzept zu konservativ. Es fehlen Visionen. Es gibt beispielsweise keine Aussagen zu zukunftsfähigen Formen der E-Mobilität, die Vernetzung und Steuerung über Apps und zu Sharing-Angeboten.
Man hat nach der Stellungnahme ihres Verbandes zum Mobilitätskonzept den Eindruck, sie wollen unbeeindruckt von Klimaprognosen und Umweltdiskussionen an der Dominanz des Autos in der Innenstadt festhalten?
Ottersbach: Das ist aus unserer Sicht nicht so. Wir sprechen uns aber für eine vorurteilsfreie Betrachtung aller Mobilitätsformen aus. Wir müssen vom Nutzungsverhalten der Kunden ausgehen. Und viele unserer Kunden sind auf das Auto angewiesen.
Warum ist das so? Im Mobilitätskonzept heißt es ja auch an einer Stelle: Aufgrund der guten Alternativen gibt es nur noch wenige Anlässe, bei denen man zwingend auf das Auto angewiesen ist.
Ottersbach: Krefeld lebt von seinem Umland. Das bedeutet, wenn wir von einer Million relevantem Kundenpotenzial ausgehen und 230 000 Menschen in der Stadt wohnen, kommen drei Viertel der potenziellen Kunden von außerhalb. Die eine Grenze ist dabei mehr oder weniger der Rhein, auf der anderen Seite geht das Einzugsgebiet bis in die Niederlande. Und hier ist die Anbindung der Innenstadt eher suboptimal. Der ÖPNV ist in den vergangenen Jahren ausgedünnt worden, die Car-Sharing-Idee funktioniert nicht. Wenn der Individualverkehr jetzt noch gemaßregelt wird, sehen wir ein großes Problem.
In anderen Städten geht man auch den Weg, Autos aus der Stadt zu drängen, beispielsweise in Düsseldorf mit den Umweltspuren.
Ottersbach: Wir können uns nicht mit Düsseldorf vergleichen. In die Landeshauptstadt kommen die Menschen auch, wenn dort die Umweltspuren den Verkehr behindern. Außerdem glaube ich nicht, dass wir durch Verbote langfristig das Mobilitätsverhalten der Kunden ändern können. Wir müssen in Krefeld einiges dafür tun, damit die Menschen in die Stadt kommen. Für den Handel ist Frequenz der entscheidende Erfolgsfaktor.
Das heißt aber nicht, dass man nicht hier auch etwas für die Umwelt tun könnte…
Ottersbach: Natürlich nicht, wir sind sofort dafür zu haben, wenn das Gesamtkonzept stimmt. Händler haben schon ein gutes Gespür dafür, was die Kunden bewegt. Und viele Krefelder, die in die Geschäfte gehen, sagen auch, dass sie gerne mit dem Fahrrad kommen würden, wenn es zum Beispiel bessere Abstellmöglichkeiten geben würde. Auch würden Menschen von außerhalb mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Aber die Taktung und Zuverlässigkeit wird beanstandet.
Der BUND hat kürzlich sogar vorgeschlagen, einen Teil der Königstraße in eine Art Fußgängerzone umzuwidmen, in der aber auch Autos fahren dürfen. Eine blauäugige Utopie?
Ottersbach: Auch hier muss die gesamte Konzeption stimmen. Mobilität muss man als Netz betrachten. Eigentümer und Händler der Königstraße überlegen, einzelne Parkplätze wegzunehmen, um dort zum Beispiel über Gestaltung oder über gastronomische Angebote den Bereich attraktiver zum Verweilen für Kunden zu machen. Auch dort wird mittlerweile anders gedacht. Finanziert werden soll dies 50:50 aus Mitteln der Eigentümer sowie öffentlichen Fördermitteln.
Was sagen Sie zu der verschärften Parkraumbewirtschaftung?
Ottersbach: Auch damit können wir leben. Krefeld ist ja nicht Kleinkleckersdorf. Im Kernbereich der Stadt ist auch die Gebühr in Höhe von zwei Euro pro Stunde im Vergleich zu anderen Großstädten im Rahmen, wenn die 50 Cent pro 15 Minuten exakt abgerechnet werden.
Ein anderes Thema: Kürzlich wurde im Rat beschlossen, dass die Pläne für eine neue Veranstaltungshalle auf dem Theaterplatz oder dem Dr.-Hirschfelder-Platz vom Tisch sind. Was sagt der Handelsverband?
Ottersbach: Die politische Entscheidung ist getroffen, auch wenn wir uns wegen der Frequenzeffekte in der Innenstadt sowohl eine Kombination von Hotel und Veranstaltungshalle als auch ein Verwaltungsgebäude gewünscht hätten. Nun sollten die Verantwortlichen dafür sorgen, dass der Verwaltungsneubau architektonisch anspruchsvoll wird.
Zufrieden müssten Sie aber mit dem Teil des Konzeptes „Handeln und Helfen“ sein. Unter anderem Müll-Sheriffs kümmern sich jetzt in der Stadt um die Sauberkeit.
Ottersbach: Seitens des Oberbürgermeisters und der Politik liegen die Zusagen vor, dass die von uns zusammengestellten Maßnahmen zur Aufwertung der Innenstadt umgesetzt werden. In den kommenden Etat der Stadt sollen dafür 300 000 Euro für das Thema Sauberkeit eingestellt werden. Das finden wir einen wichtigen großen Schritt. Wir werden aber auch den Kommunalbetrieb beim Wort nehmen und im kommenden Jahr regelmäßig gemeinsam überprüfen, wie die Umsetzung der Maßnahmen voranschreitet.