Aktion So will die Polizei Unfallfluchten bekämpfen

Krefeld · Im Vergleich zu den Vorjahren sind die Zahlen zuletzt gestiegen. Die Beamten reagieren mit einem Aufruf.

Ein Zettel mit der Aufschrift „Bitte melden Sie sich bei uns. Ich bin ganz leicht gegen ihr Auto gerollt“, klemmt an einem PKW hinter einem Scheibenwischer. Das reicht laut der Polizei nicht aus.

Foto: dpa/Jens Wolf

Es passiert immer wieder: Nach einem Unfall fährt ein Beteiligter einfach weiter. Besonders schwer wiegt das, wenn Menschen verletzt werden. Wie Ende März: Ein 23-jähriger Fußgänger ist an der Kochstraße unterwegs, als er von einem Außenspiegel erfasst wird – er stürzt zu Boden und wird dabei leicht verletzt. Der Autofahrer hält nur kurz an.

Zahlen der letzten drei Jahre zeigen steigende Tendenz

Die Polizei in Krefeld will dem mit einer Kampagne begegnen, die vor allem Zeugen ermutigen soll, sich bei der Polizei zu melden. „Arbeitet mit uns zusammen“, sei dabei die Nachricht, die bei den Bürgern ankommen soll, erklärt Holger Klein, Leiter der Direktion Verkehr. Dazu würden Beamte unter anderem Postkarten verteilen, die auf das Thema aufmerksam machen. Auf diesen können mögliche Zeugen auch gleich ihre Beobachtungen notieren und sie kostenlos an die Polizei schicken.

Dass die Beamten Hinweise gebrauchen können, zeigen Zahlen: 1834 Unfallfluchten sind 2018 gezählt worden, 1730 im Jahr 2017 und 1707 im Jahr 2016. In 85 Fällen sind dabei Menschen im Jahr 2018 verletzt worden, in 69 im Jahr 2017, und in 86 im Jahr 2016. NRW-weit ist die Zahl der Unfallfluchten zuletzt auf knapp 139 000 gestiegen – im Fünf-Jahres-Vergleich ein Anstieg um 16 Prozent, so das Innenministerium.

Einen kuriosen Fall meldete die Polizei in Krefeld erst kürzlich: Ein junger Fahrer ist am Donnerstagabend auf der St. Töniser Straße mit dem Auto unterwegs, als ein Mercedes während der Fahrt von hinten auffährt. Zunächst halten beide Autofahrer an und steigen aus. Dann die Überraschung: Der Mercedes rollt rückwärts gegen ein geparktes Fahrzeug, der 42 Jahre alte Fahrer rennt zu seinem Wagen und fährt einfach weg. Womit er wohl nicht gerechnet hätte: Ein Anwohner hat die Szene beobachtet und die Polizei informiert. Die konnte den Mann bei ihm Zuhause antreffen. Er hatte Alkohol getrunken, sein Führerschein wurde zunächst sichergestellt. Ein Strafverfahren folgt.

Ein weiterer Fall, der Holger Klein als besonders schwerwiegend in Erinnerung geblieben ist: Ein Autofahrer erfasst eine 80-Jährige auf der Hauptstraße in Oppum, steigt kurz aus und lässt die schwer verletzte Frau einfach liegen. Die Polizei kontrolliert in der Folge mehr als 80 Twingo-Fahrer in Krefeld und der Umgebung und stößt schließlich auf einen 28-Jährigen, der das Auto gefahren sein soll. Statistisch gesehen keine Seltenheit in Krefeld: Drei von vier Unfallfluchten mit Personenschaden wurden 2018 laut Polizei aufgeklärt. Das habe mehrere Gründe: Zum einen würden die Beamten erfreulicherweise viele Hinweise aus der Bevölkerung bekommen, zum anderen funktioniere die Zusammenarbeit verschiedener Stellen innerhalb der Behörde – etwa um zügig die Öffentlichkeit einzubeziehen.

Wer von einem Unfallort flüchtet, muss mit hohen Strafen rechnen, warnt der Experte. Bei Unfallfluchten würden die Gerichte kein Auge zudrücken. Für den Mann, der bei der Unfallflucht in Oppum hinter dem Steuer gesessen haben soll, werde es „wahrscheinlich nicht bei einer Geldstrafe bleiben“, schätzt Klein.

Was Autofahrer nach
einem Unfall machen sollten

Ein Autofahrer, der nach einem Unfall einfach weiterfährt, ohne „die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art der Beteiligung durch seine Anwesenheit“ zu ermöglichen, wird mit Geld- oder sogar mit Freiheitsstrafe bestraft, heißt es im Gesetzbuch dazu. Bei Fällen, in denen Menschen zu Schaden kommen, kann das bis zum Vorwurf der Tötung durch Unterlassen gehen, so Holger Klein. Unter Fahrerflucht könne aber auch der „kleine Rempler“ beim Einparken fallen. Der Zettel hinter der Windschutzscheibe reiche dann nicht aus. Zur Sicherheit sollte immer die Polizei gerufen werden. Auch wenn eine Einigung mit einem Betroffenen vor Ort möglich ist, sei man so auf der sicheren Seite. Je nach Schaden drohen auch bei bloßem Sachschaden hohe Geldstrafen, Punkte in Flensburg oder sogar der Führerscheinentzug. Auch für Geschädigte könne es laut Klein teuer werden: Wer nicht entsprechend versichert sei, bleibe auf dem Schaden sitzen.