Karnevalisten sind ganz schön einfallsreich

Zwischen 1903 und 1924 ändern polizeiliche Anordnungen und Krieg die Feierart der Jecken. Doch die finden Lösungen.

Stadtteile. Der Erfindungsreichtum der Karnevalisten war schon immer groß. Der eingefleischte Karnevalist Rudi Neuhausen (1922-2014), Verfasser der Chronik „Krefeld Helau“ aus dem Jahre 1977, wusste von so manchem Ereignis zu erzählen. So berichtete er, dass im Februar 1903 — vor 115 Jahren also — in Crefeld eine Polizei-Verordnung erlassen wurde, „betreffend das Erscheinen maskierter oder verkleideter Personen auf öffentlichen Straßen und Plätzen“. Deshalb haben die damaligen Karnevalisten verstärkt zum Saalkarneval aufgerufen.

Ein Karnevalszug fand trotzdem statt, jedoch unter Beachtung der neuen Vorschriften. Das damalige Crefeld, schrieb Neuhausen, schien zu den bekannten Karnevalsstädten zu gehören. Er begründete dies mit einem Brief der Königlichen Polizeidirektion von München. Diese schrieb an das Krefelder Polizeiamt um Auskunft betreffend „Werfen mit Konfetti“. Hier nun der Wortlaut: „Ich stelle das ergebenste Ersuchen, um baldgefällige Mitteilung, ob das Werfen mit Konfetti zur Fastnachtszeit in Crefeld bisher zu sanitäts-polizeilichen Bedenken Anlass gegeben hat, beziehungsweise, ob dasselbe etwa polizeilich beanstandet worden ist.“ Man schickte eine Verordnung nach München, die folgende Bestimmung enthielt. „Das Werfen und Verstreuen von zerkleinertem oder zerschnittenem Papier (sogenanntes Konfetti oder Luftschlangen) und ähnlichen Gegenständen ist in Crefeld untersagt.“

Man weiß nicht, ob sich viele Jecken an diese Weisung gehalten haben. Die Kriege haben natürlich dem Karneval zugesetzt. Ein ebenfalls verdienstvoller Krefelder Karnevalist und Wegbegleiter von Neuhausen, Adolf Prechtel, weiß zu berichten, dass der letzte Rosenmontagszug vor dem Ersten Weltkrieg am 23. Februar 1914 durch Krefeld zog. Danach hörte man jedoch nicht auf, man erfand Feiern zum Frühlingserwachen oder einen „Abend am Rhein“.

Der Krieg forderte natürlich seinen Tribut. Ganz schlimm wurde es 1920, als die Regierung alle Karnevalsfeiern generell verbot. Auch die belgischen Besatzer hielten nichts vom Karneval. Im Februar 1920 erging folgende Weisung von Befehlshaber Generalleutnant Michel: „Jede Maskerade, jedes Tragen von Masken und jede Verkleidung in den Straßen sowie in öffentlichen Lokalen ist untersagt.“ Im Rathaus bekräftigte man dies: Großer Thron, Elferrat in bunten Mützen, die Bütt für Redner, alles ist verboten. Bis 1924 blieb es so, dann hob der Preußische Minister des Inneren die Verordnung auf. Die Karnevalisten ließen sich zu keiner Zeit unterkriegen. Man erfand die beliebten Dröppkessitzungen.

Von Mitgliedern der einstmals tonangebenden Mundartvereinigung Kreis 23 (gegründet 1923) war zu erfahren, dass man sich privat traf. Alle kamen am Altweiber-Donnerstag im Beerdigungsanzug mit einem Gebetbuch und versammelten sich im Keller. An der Haustür hielt der Wohnungsinhaber Wache. Erschien ein Polizeibeamter, gab er ein Zeichen — meistens einen Laut —, und alle begannen, Kirchenlieder zu singen. Die Getränke, die sogenannten Dröppkes, wurden natürlich versteckt.

Bis in die späten 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts haben sich die Kreis-Mitglieder, natürlich ohne Repressalien befürchten zu müssen, noch jeweils bei einem Mundartfreund an der Geldernschen Straße getroffen und den Dröppkes zugesprochen.